Der Appetit der Wirtschaft nach Social Commerce ist ungestillt. Das ist ein Grund, weshalb Messen und Events nicht um eine digitale Transformation herum kommen. Live Kommunikationspionier Carsten Nadler sagt, wie er nach schlaflosen Nächten die Chancen auf eine Renaissance der Messewirtschaft beurteilt.
by Carsten Nadler* | 31. Januar 2022
Carsten Nadler, wie geht es jetzt weiter in Deutschland und der Schweiz mit Messen und wann?
Mit dem Ausbruch der Pandemie mit ihren dramatischen Folgen für die Eventwirtschaft gab es Zeiten, die jetzt zum Glück zurück liegen, in denen ich schlaflose Nächte hatte, nahe an der Resignation war und die Live Kommunikationsbranche fast aufgegeben habe. Aber nur fast. In dieser Zeit habe ich alle möglichen Wege eingeschlagen als Alternative respektive Ergänzung. Ich habe für Studios gearbeitet, virtuelle Welten geschaffen bis zu einer 360° Wendung und ich habe mir Wissen und Können angeeignet im Gebiet der erneuerbaren Energie.
Aber wie geht es jetzt weiter in der Live Kommunikation? Die Planungsunsicherheit ist eine große Herausforderung, eine Art #newNormal, weil man jeweils bis zur letzten Minute nicht entscheiden kann oder will, ob ein Anlass stattfindet oder nicht. Und trotzdem muss man als «Plan A» die Kapazitäten reservieren. Doch jetzt muss es endlich weiter gehen! Die Sicherheitskonzepte sind gut und bieten den notwendigen Schutz, um Anlässe gefahrlos abzuhalten.
«Digitale Erlebnisse ermöglichen es Marken,
eine komplexe Geschichte zu erzählen, die physische Gestalt annimmt.
Das wird nicht verschwinden.»
Kommt es in der deutschen Messewirtschaft zu einer Renaissance, wenn Messen wieder möglich sind oder zu einer viel gehörten Kontraktion?
Messen werden im ersten Turnus kleiner und lokaler werden. Ich kann nur mutmaßen, dass in dieser ersten Phase auch das internationale Publikum weniger wird. Mehr als Mutmaßungen sind das aber nicht, kein Mensch könnte heute eine verlässliche globale Prognose stellen.
Dass Messen aus Deutschland abwandern wird längerfristig nicht verhindert werden können. Kunden gehen immer dahin, wo die Musik spielt und für einzelne Messen sind das Märkte außerhalb von Europa.
Aber auch Geschichtlichkeit spielt eine Rolle. Eine Drupa hat eine besondere Stellung und soll bitte in Düsseldorf bleiben, wo sie hingehört. Aber das ist eine emotionale Einschätzung, weil wir hier einmal die weltweit längste Bartheke hatten und während Jahren Großauftritte für Aussteller inszeniert hatten. No Business without Showbusiness!
Dein Unternehmen Sparks macht live und digitales Marketing. Wie notwendig ist digitale Transformation für die Messe- und Eventwirtschaft wirklich?
Ein Blick auf das Portfolio von Sparks zeigt, für wen wir arbeiten. Es sind zahlreiche big player der digitalen Revolution. Mein Credo: Man wächst mit seinen Kunden. Überleben wird, wer kreativ, mutig, digital fortschrittlich und datengesteuert ist.
Wollen Ausstellerkunden tatsächlich eine stärkere Digitalisierung ihrer Livepräsenz? Hat Covid nicht gerade gezeigt, dass die Wirtschaft Livebegegnungen braucht?
Wir kommen nicht um eine digitale Transformation herum. Es gibt einen Grund dafür, dass viele der führenden digitalen Plattformen wie Twitter, TikTok und Amazon und ihre Markenpartner sich voll und ganz auf Shopping-Livestream-Events konzentriert haben: Sie funktionieren. Die Bequemlichkeit und, was noch wichtiger ist, die Sicherheit, die sie bieten, haben den Verbrauchern eine unterhaltsame und risikofreie Möglichkeit gegeben, während der Pandemie einzukaufen. Solche Vorteile sind anhaltend und kaum zu ersetzen. Der Appetit der Verbraucher auf Social Commerce ist ungebrochen.
Digitale Erlebnisse ermöglichen es Marken, eine komplexe Geschichte zu erzählen, die physische Gestalt annimmt und dynamisch, fesselnd, einnehmend oder unterhaltsam ist. Auch das wird nicht verschwinden, im Gegenteil.
Unser internes digitales Sparks-Team besteht aus einer einzigartigen Mischung aus Designern, Produzenten und Technologen. Wir binden interaktive Technologien in alle Phasen des Engagements ein, was die Möglichkeit des Eintauchens in das Geschehen und die Verstärkung der Erfahrungen für ein virtuelles Publikum vor, während und nach einer Veranstaltung fördert.
Wo siehst Du das NewNormal in Live Kommunikation?
Es gibt in Zukunft viel mehr Formate mit neuen Technologien und schnell wechselnden Inhalten. Wie werden uns auf mehr Aufwand und Komplexität von Livekommunikationsprojekten einstellen müssen. Personal mit neuen Skills ist gefragt. Und die berühmte Kundenkenntnis wird mehr denn je zum Erfolgsfaktor. NewNormal ist auch ein Mix von remote- und Officearbeit. Das Team von Sparks arbeitet heute schon mehrheitlich remote. Das hat sich in den letzten zwei Jahren etabliert und ist ein Vorteil für viele Mitarbeitende.
Interview: Urs Seiler
*Carsten Nadler ist ab dem 1. Februar 2022 neuer Vice President Business Development Europe von Sparks mit Hauptsitz in Philadelphia, USA mit 13 Niederlassungen in Nordamerika und Präsenzen in Amsterdam, London, Florenz, Paris, Zürich, Frankfurt and Berlin (folgt im 2022). Als Entrepreneur hat er die europäische Niederlassung von Impact Unlimited aufgebaut. Er ist Founder und Investor von 1A-Energy GmbH. Carsten Nadler ist seit mehr als 20 Jahren in leitenden Positionen bei Messebauunternehmen tätig. Sparks-Video.
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