Er startete am Donnerstag verheißungsvoll, der Suisse Caravan Salon 2020, der Hoffnungsträger für die Caravaningcommunity, ja für die ganze Messewirtschaft, aber er kam zu einem unerwarteten, abrupten Ende: Am Freitag hat der Berner Regierungsrat Veranstaltungen mit mehr als 15 Personen, auch Messen, verboten.
by Urs Seiler | 25. Oktober 2020
Wie bedauerlich: ein ganzes Team, eine ganze Branche, Aussteller aus der Schweiz und aus dem Ausland, haben seit März dieses Jahres, manche länger, für die Möglichkeit, sich am Suisse Caravan Salon wieder live mit ihrer Community – Kunden, Lieferanten, Partnern – treffen zu können, gearbeitet. Jetzt hat am Freitag der Berner Regierungsrat diesen Vorarbeiten mit dem Verbot von Messen einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Definition Großanlässe
Noch im Juni hatte der schweizerische Bundesrat, wohl nicht zuletzt in Anbetracht der Funktion von Messen als wirtschaftliche Lokomotiven für die jeweiligen Branchen, Messen vom Veranstaltungsverbot mit über 1000 TeilnehmerInnen ausgenommen. Sie wurden Einkaufszentren gleichgestellt, die ebenfalls nicht als Veranstaltungen eingestuft werden.
Schutzkonzepte
Die Veranstalter hatten am Donnerstag, dem Eröffnungstag der Messe, und Freitag eindrücklich demonstriert, wie mit dem Einhalten der gesetzlichen Bestimmungen und den selber entwickelten Schutzmaßnahmen Messen wieder möglich sind.
Sie hatten ein detailliertes Schutzkonzept für die Messe ausgearbeitet. So galt auf dem ganzen Areal eine Maskenpflicht. Und die Besucherinnen und Besucher mussten sich vor dem Betreten des Geländes die Temperatur messen lassen.
Die Bernexpo hatte freiwillig die BesucherInnenzahl auf 7'000 pro Tag eingeschränkt und damit einen Einnahmeausfall in Kauf genommen. Sie plante mit sehr großzügigen Platzverhältnissen und verzichtete auf Rahmenanlässe.
Die schweizerischen und die internationalen Messegesellschaften gehören zu jenen Organisationen, die als Erste weitreichende, tragfähige Covid-Schutzmassnahmen entwickelten. Die Bernexpo Groupe hat zu diesem Zweck, gemeinsam mit dem Kursaal Bern, das Contact Tracing System Get-Entry-ID eingesetzt.
Der wirtschaftliche und der Imageschaden
Der Abbruch des Suisse Caravan Salons verursacht jetzt einen beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden.
Die BesucherInnen mussten sich bei der Bernexpo online registrieren. Ohne eine solche Registrierung wurde niemand auf das Gelände zugelassen. Diese Einnahmen müssen von der Bernexpo Groupe jetzt für den Samstag, Sonntag und Montag zurückerstattet werden.
Die Aussteller hatten ihre Ausgaben für die ganze Messedauer bis am Montag, 26. Oktober geplant. Das vorzeitige Abbrechen ihrer Auftritte und ihrer Investitionen in den Messestand (Werbung, Standmiete, Personalkosten) kann von ihnen nicht kompensiert werden.
Der größte Schaden entsteht aber den Ausstellern durch entgangene Geschäfte, was wiederum einen noch größeren Schaden in der sogenannten indirekten Wertschöpfung verursacht. In der Messebranche schätzt man, dass jeder Franken oder Euro, der auf oder für die Messe Messe ausgegeben wird, indirekte Umsätze für die Messedienstleister und das nutznießende Gewerbe von 6 bis 8 Mal mehr auslöst. In Bern ist man bescheidener und spricht von einem Faktor 4. Jeder auf dem Suisse Caravan Salon jetzt nicht erwirtschaftete Franken verursacht demnach vier Franken Ertragsausfälle.
Vertrauensverlust führt zu einer Wettbewerbsverzerrung
Deshalb sagt Jennifer Somm, CEO der Bernexpo Groupe (Bild): «Eine laufende Veranstaltung abzubrechen verursacht den maximalen Schaden. Der Berner Entscheid ist nicht nachzuvollziehen.»
Die Fallzahlen von Covid-Infizierten waren fast landesweit schon in den letzten Wochen angestiegen, die Regierung hätte wenn schon ein Verbot aussprechen das viel, viel früher machen können. Gab es einen Covid-Fall auf der Messe, wie das schon an anderen Anlässen der Fall war? Das ist nicht der Fall.
Aussteller sprechen gemäß der Pressemitteilung der Bernexpo Groupe von einem «massiven Vertrauensverlust in den Standort Bern».
Der Berner Entscheid macht die Fragwürdigkeit der in der Schweiz gültigen kantonalen Regelungen, des berühmten Föderalismus, für das Austragen von Anlässen wie dem Suisse Caravan Salon deutlich. Der Entscheid der Berner Regierung führt zu einer Verzerrung des freien Wettbewerbs. Denn während man in Bern die Notbremse zog, sind Anlässe in anderen Kantonen in der Größenordnung des Caravan Salons weiterhin möglich. Drittveranstalter werden sich jetzt und in Zukunft die Standortfrage stellen und sich überlegen, ob sie ihren Anlass in Bern oder in Basel, St. Gallen oder Zürich oder anderswo durchführen. Das ist die Konsequenz des erwähnten «Vertrauensverlustes».
Die Medienmitteilung des Berner Regierungsrates vom Freitag, 23. Oktober, sagt «Die rekordhohen Zahlen mit Ansteckungen erfordern drastische Schritte. Jetzt harte Maßnahmen zu treffen sei die bessere Option als ein zweiter, für die Wirtschaft sehr schädlicher Lockdown». Aber genau das, ein wirtschaftlicher Schaden, ist jetzt eingetreten.
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