Der Großkongress 360-Grad-Entertainment zieht in die Premiumdestination Andermatt. Der Founder des ESB Marketing Netzwerks, Hans-Willy Brockes äußert sich zur Zukunft des Entertainmentgeschäfts.
by Hans-Willy Brockes | 16. Februar 2022
In Kürze
Die Tokeneconomy ist für das Entertainmentgeschäft sehr spannend,
weil man anders an gewisse Kundengruppen gar nicht mehr heran kommt.
Der Handel wird der digitalen Transformation teilweise bereits gerecht,
aber im Entertainmentgeschäft besteht ein riesiger Nachholbedarf.
Überall da, wo sich der Veranstalter auf das Quadratmetergeschäft
konzentriert hat wie bei einer Muba oder einer Züspa,
ist das Messeformat zum Scheitern verurteilt.
Hans-Willy Brockes, Ende März soll es wieder weiter gehen mit dem Kongress «360 Grad Entertainment», der vom ESB Marketing Netzwerk und Ticketcorner veranstaltet wird. Was beschäftigt Dich dazu am meisten?
Die größte Herausforderung, die sich uns als Veranstalter und Netzwerkorganisation stellt ist ganz klar die Frage, welche digitalen Leistungen wir in Zukunft unseren Partnern bieten wollen. Dies neben dem was bleiben wird, nämlich unseren Live-Anlässen. Unsere Aufgabe besteht ja darin, die aktuellen Themen die unsere Partner beschäftigen, auf die Bühne zu bringen.
Digital hat, schon vor Corona, einen riesigen Kick bekommen, da muss man im Rennen bleiben. Fragen sind etwa, was das Metaverse für das Marketing bedeutet und wie sich Marken hier in Zukunft präsentieren. Auch mit der Blockchaintechnologie befassen wir uns seit langem. Die Tokeneconomy ist für das Entertainmentgeschäft sehr spannend, weil man anders an gewisse Kundengruppen gar nicht mehr heran kommt.
Das alles sind Themen, die uns beschäftigen und wir an unseren Foren, das nächste Mal an unserem Kongress «360-Grad-Entertainment» im Chedi in Andermatt, auf die Bühne bringen. Wenn wir das gut tun, werden wir von unseren Kunden belohnt.
Wie erfolgte die Wahl der Location für Andermatt?
Wir wollen unseren Veranstaltungen ja immer eine Heimat geben. Das Sport.Forum.Schweiz ist seit mehr als zehn Jahren im KKL Luzern beheimatet. Mit 360-Grad-Entertainment sind wir nach Andermatt gezogen, weil Andermatt die Mission hat, nach der Investition in seine Infrastruktur jetzt in der nächsten Phase in die «Software», ins Entertainment eben, zu investieren. Damit wird Andermatt zum neuen Hub für das Entertainmentbusiness, logischerweise im Premiumbereich. Diese Gemeinsamkeit in der Philosophie ist der Grund, dass wir mit dem 360-Grad-Entertainmentforum von Interlaken nach Andermatt umgezogen sind.
Du selber wirst zum Thema «Was wird das neue Normal des Entertainment Business?» sprechen. Was glaubst Du wird sich auf Messen und Events und im Veranstaltungsbereich von Public Events anhaltend verändern?
Ich sehe post-Corona drei große Herausforderungen im Entertainmentbereich:
Erstens gibt es einen riesigen Nachholbedarf an Unterhaltung. Das wird zum Auftakt zu einem Überangebot an Anlässen mit beträchtlichen Terminkollisionen führen. Die Folge davon wird eine Kostenexplosion sein, weil wegen dieser Terminkollision weder genug Personal noch Material vorhanden sein wird. Auch die Firmen, die während Covid krampfhaft überlebt haben, werden von Aufträgen überrannt werden.
Zweitens geht der/die BesucherIn, gerade nach Covid, davon aus, dass alles digitalisiert ist, man will bargeldlos und irgendwann mit Tokens bezahlen. Der Anspruch an die digitale Flankierung eines Events ist riesig. Diesem «Covid-Schub» müssen sich Veranstalter stellen. Der Handel wird dem teilweise bereits gerecht, aber im Entertainmentgeschäft besteht ein riesiger Nachholbedarf.
Drittens besteht der nächste Flächenbrand, nach dem der Pandemie und teilweise durch sie beschleunigt, im Thema Nachhaltigkeit. Da werden wir total aufpassen müssen, dass die Entertainmentbranche nicht als Sündenbock zurück bleibt.
Veranstalter müssen in Zukunft den laufend steigenden Anforderungen an die Reduktion des ökologischen Fußabdruckes gerecht werden. Für den oder die Veranstaltungsbesucher gibt es hundert Ansprüche an einen die Umwelt möglichst wenig belastenden Besuch eines Anlasses. Die ganze Kette der Themen wird sich kontinuierlich fortführen.
Müssen Messen, wie das gemutmaßt wird, transformieren und in welche Richtung?
Zahlreiche Messen boten in der Vergangenheit kein oder wenig Entertainment, aber Entertainment ist der Mehrwert. Wenn sich alles nur um Information dreht, ist die Versuchung groß, eine Messe um 18 Uhr ziemlich lustlos zu verlassen und ich überlege mir, ob ich in Zukunft wieder dahin will oder ob meine Onlineteilnahme nicht ausreicht.
Wenn wir sehen, dass auf Metaverse heute schon Immobilien gekauft werden an 365 Tagen im Jahr, ist das ein Fingerzeig, wohin die Reise gehen könnte. Das ist ja der Grund, weshalb Immobilienmessen heute schon durch Onlinekanäle abgelöst wurden. Wenn neben der Information ein Mehrwert fehlt, werden Messen ein Problem haben.
Entertainment hat aber nichts mit der oft gehörten, berüchtigten Festivalisierung von Messen zu tun. Ich würde die Analyse anders machen: Da wo eine Messe als Plattform kein Entertainment war, wird sie sich schwer tun, das jetzt nachzuholen. Dann stellt sich eben die existenzielle Frage: wozu brauche ich die Messe noch?
Auf der positiven Seite sehen wir Anlässe wie die Landwirtschaftsmesse OLMA in St. Gallen, die seit eh und je Entertainment - sprich ein Volksfest - pur, nicht ein Warenpark, war. Sie hat und wird auch nie ein Existenzproblem haben. Aber überall da, wo sich der Veranstalter auf das Quadratmetergeschäft konzentriert hat wie bei einer Muba oder einer Züspa und auch bei Fachmessen, ist das Messeformat zum Scheitern verurteilt.
Das ESB Marketing Netzwerk ist Partner von vielen Messen, auch in Deutschland. Heute sehen wir, dass einer der größten und erfolgreichsten Messeplätze der Welt, die Messe Frankfurt, eine erneute Finanzspritze von 250 Millionen Euro braucht, um überlebensfähig zu sein. Ist eine große Bereinigung im von Erfolg verwöhnten deutschen Messegeschäft notwendig?
Eines ist klar: wenn Dein Geschäftsmodell Entertaiment ist, wird die verkaufte Messefläche kleiner. Das beschneidet das traditionelle Geschäftsmodell eines Veranstalters.
Der Rückgang von Messeflächen ist allerdings ein Prozess, der sowieso im Gang ist, wie wir zum Beispiel auf Automobilmessen sehen. Aber in der heutigen Zeit besteht das Entertainment von Automobilmessen nicht mehr im Spektakel von mehr PS oder mehr Karosserie. Diese Zeit des Egotrips in der Eigendarstellung ist vorbei.
Wie die IAA Mobility in München gezeigt hat, heißt das übergeordnete Thema Mobilität und dieses erlebbar zu machen, darin besteht das neue Messe-Erlebnis. Die IAA Mobility hat das gemacht, ob es funktioniert, wird man sehen.
Die Kernaufgabe für einen Messeveranstalter besteht allerdings darin, die Branchencommunity hinter sich zu bringen. Caravan- oder Bootsmessen sind deshalb erfolgreich, weil sie eine emotionale Community hinter sich haben, sie drehen sich nicht mehr primär um die opulente Darstellung von Größe und Stärke. Solche Messen werden auch in Zukunft florieren.
Interview: Urs Seiler
Take Outs
Felix Frei, Vereinigung der Schweizer Stadien und Arenen VSSA zum Thema «Über die Sinnhaftigkeit von Einweggeschirr».
Jürgen May, 2bdifferent zum Thema «Nachhaltiger Messebau auf der IAA Mobility 2021».
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