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«Das Geschäftsmodell Messe wird nicht verschwinden!»

Messen werden zukünftig noch viel mehr die Menschen außerhalb des Events erreichen müssen sagt Prof. Regine Kalka im smartville.digital-Interview.


by Regina Kalka* | 25. Mai 2021



Frau Professor Dr. Kalka, was beschäftigt Sie zurzeit am meisten?

Sicherlich die Auswirkungen der Pandemie auf unser tägliches Leben, auf unsere Gesellschaft und die Wirtschaft. Aber so langsam können wir, glaube ich, alle besser schlafen, da die Impfungen nun gut vorankommen. Ein Ende des Traumas ist in Sicht.


Wie hat sich Covid-19 auf Ihren Lehrbetrieb und die Forschungstätigkeit an der Hochschule Düsseldorf ausgewirkt?

Wir lehren nun schon das dritte Semester in Folge ausschließlich online. Die Umstellung hat reibungslos geklappt, da wir seit Jahren digitale Veranstaltungen parallel zu den Präsenz-veranstaltungen angeboten haben, allerdings vermissen wir derzeit wie überall den persön-lichen Kontakt zu den Studierenden. Insbesondere für die Studierenden, die nur eine begrenzte Zeit an der Hochschule sind, spielt auch das Leben Drumherum, also außerhalb des Hörsaals oder der Labore eine ganz wichtige Rolle. Es geht im Studium ja nicht nur um das Studieren. Nicht umsonst heißt es, dass die Studentenzeit einer der schönsten Zeit im Leben ist, aber nicht über Monate allein zu Hause vor dem Computer.


Sie führen in Ihrem Lehrgang Kurse in Messemarketing. Weshalb ist dieses Fach im Lehrplan von Universitäten so untervertreten und was sind Rezepte für diese Situation?

Ja, unsere Recherchen zeigen auch, dass das Thema Messemanagement in angebotenen Lehrveranstaltungen an staatlichen und privaten Hochschulen sehr unterrepräsentiert ist und in den meisten Fällen nur als ein Kommunikationsinstrument behandelt wird. An der Hochschule Düsseldorf bieten wir schon seit vielen Jahren spezielle Veranstaltungen und Module zum Thema Messemanagement an. Wir arbeiten eng mit der Messe Düsseldorf, der Messe Essen und Reed Exhibitions in Form von Lehraufträgen und Studierendenprojekten zusammen. Das Thema Messemanagement ist durchaus komplex und beinhaltet die Messe aus Veranstaltersicht als physische und virtuelle Dienstleistung und Kommunikationsbrokerplattform, aus Ausstellersicht als Live-Kommunikationsplattform für Marken und aus Industriesicht als Medien-Event in Form eines Branchentreffpunktes. Ein stärkeres Engagement andere Messeveranstalter wäre hilfreich und wünschenswert, das Thema Messemarketing stärker in der Lehre und Forschung zu verankern. Und dies nicht nur, um zukünftige Nachwuchskräfte für die Messewirtschaft zu gewinnen, sondern auch um die Thematik bei zukünftigen Mitarbeitern von potenziellen Ausstellern zu platzieren. Hier bieten sich viele Formen der Zusammenarbeit an, wie Gastvorträge, Studierendenprojekten, Übernahme von Lehraufträgen, Vergabe von Themen für Thesen etc. Aber ich würde mir auch wünschen, dass noch mehr Aussteller von Messen eine Kooperation mit den Hochschulen im Bereich Messemarketing suchen würden.


«Es wird bis zu zwei Jahre dauern, bis alle

Aussteller wieder im gleichen Umfang Messen nutzen.»


Was glauben Sie, wird Covid-19 keinen Einfluss nehmen auf das Geschäftsmodell «Messe»?

Das Geschäftsmodell Messe wird weiterhin existieren. Dies zeigen auch unsere Befragungen. Ein Großteil unserer Befragten sowohl aus Aussteller- als auch auf Besucherseite unterstützt auch weiterhin das Kommunikationsinstrument Messe und geht davon aus, dass Messen weiterhin effizient für die Unternehmenskommunikation eingesetzt werden.


Und ich glaube und bin zuversichtlich, dass Reisen bald wieder möglich sein wird, vor allem für die Geimpften. Sicherlich muss berücksichtigt werden, dass alle Industriezweige wirtschaftliche Rückschläge durch die Pandemie hinnehmen mussten. Es wird bis zu zwei Jahre dauern, bis alle Aussteller wieder im gleichen Umfang Messen nutzen und sie sich daher zunächst aus Kostengründen kleiner präsentieren werden.


Das Geschäftsmodell Messe wird sich aber insoweit ändern, dass es zu einer Verzahnung von physischen Messen mit digitalen Formaten kommt. Diese Verzahnung kann als Vorbereitung zu persönlichen Begegnungen dienen, das Messe-Erlebnis erweitern und auch neue wirtschaftliche Perspektiven für den Messeveranstalter generieren. Zusätzliche digitale Messeangebote können somit die Touchpoints von Messen ausbauen und verlängern. Messen werden zukünftig noch viel mehr auch die Menschen außerhalb der Halle erreichen können, was sehr gut ist, weil sich dadurch das physische Angebot auf Messen zeitlich digital verlängern wird.


Müssen Messeveranstalter zwingend transformieren?

Die Pandemie hat der Messewirtschaft einen digitalen Schub gegeben, der sich ohne dieses Ereignis wahrscheinlich nicht so schnell eingestellt hätte. Allerdings haben die meisten Messeveranstalter schon vor der Pandemie versucht, eine digitale Transformation hinsichtlich der Abbildung digitaler Geschäftsprozesse sowie hinsichtlich des Aufbaus eines Mehrwerts von digitalen Services in ihrem Geschäftsmodell umzusetzen. Jetzt ist dieser Prozess nochmals beschleunigt worden.


Welches Zeugnis geben Sie dem Messeplatz Deutschland, was deren Zukunftsfähigkeit betrifft? Wandern jetzt, coronabedingt, Messen in die Regionen ab, weil die Reisetätigkeit erschwert und im Vergleich zu Medien wie Zoom zu teuer geworden ist?

Die großen strategischen Herausforderungen des Messeplatzes Deutschland waren schon vor der Pandemie die Marktverschiebungen von internationalen Leitmessen zu kontinentalen Leitmessen aufgrund der starken Entwicklung des Messemarktes, insbesondere in die asiatischen Märkte. Weiterhin stellen Marktkonsolidierungen, die durch Zu- und Aufkäufe von Messen stattgefunden haben, sowie die Überkapazitäten in Deutschland die Veranstalter vor große Herausforderungen. Die Marketingverantwortlichen in den ausstellenden Unternehmen werden zukünftig noch mehr vom Controlling gedrängt, auf Kosten zu achten und erstmal mit kleineren Ständen wieder zu beginnen. Die großflächigen Messen mit hunderttausenden von Quadratmetern Ausstellerflächen wird es meiner Meinung nach nicht mehr so schnell geben. Auch die Besucher werden aus Kostengründen vorerst etwas zurückhaltender sein und vielleicht nicht mit der gesamten Mannschaft Messen besuchen. Wenn dann allerdings nur die Entscheider kommen werden, ist dies ja durchaus auch positiv zu bewerten. Über die digitalen Services nach der Messe können die anderen Mitarbeiter die Inhalte und Kontakte nacharbeiten.


Sieger werden meiner Meinung nach die kleineren Spezialmessen auf «mittelgroßen» Hallengeländen sein. Die größten Messegelände mit ihren hohen Fix- und Overheadkosten werden es schwieriger haben. Es werden Messen gefragt sein, die den Gastveranstaltern neben einem hohen Servicegrad auch ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis anbieten können und den Ausstellern auf den eigenen Messen helfen, gegenüber dem Controlling ihre Messepräsenz zu rechtfertigen. Hier können digitale Angebote der Verlängerung des Mehrwerts von Messen ein Argument sein. Deutsche Messeveranstalter müssen weiter versuchen, internationale Plattformen im Ausland mit eigenen Veranstaltungen zu besetzen, um Marktplätze nach der Pandemie für sich zu behaupten und bei der Verschiebung zu Kontinentalleitmessen aktiv mitzuwirken, damit dieses Feld nicht den internationalen Wettbewerbern überlassen wird.

Sie sind täglich im Umgang mit jungen StudentInnen. Was können wir von der Millennial-Generation lernen?

Wir können von ihrer Offenheit für Neues, gerade gegenüber digitalen Innovationen, lernen. Diese werden nicht von den Millennials in Frage gestellt, sondern als selbstverständlich betrachtet. Auch können wir uns eine Scheibe abschneiden von ihrer Schnelligkeit, digitale Innovationen in ihren alltäglichen Umgang und Leben zu adaptieren.


Was ist Ihre Mission in Bezug an der Hochschule Düsseldorf?

Mein Wunsch und mein Ziel ist es, den Studierenden Inhalte und Skills zu vermitteln, die erforderlich sind, um in den Zeiten nach der Pandemie für die Wirtschaft allgemein und für die Messewirtschaft gerüstet zu sein. Hierbei steht die Forschung und Lehre in den Bereichen digitales Knowhow, Data Driven Marketing, Nachhaltigkeit in Marketing und Kommunikation, multisensuale Markenerlebnisse und Added-Value Services/Pricing für mich persönlich im Mittelpunkt.


Buchneuerscheinung

Preiskommunikation. Strategische Herausforderungen und innovative Anwendungsfelder. Regine Kalka. Andreas Krämer.


*Prof. Dr. Regina Kalka, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Hochschule Düsseldorf, University of Applied Sciences.


Interview: Urs Seiler.

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