Die Herausforderungen im 2021 sind noch grösser als im Covid-Jahr 2020. Aber sie können zu neuen, erfolgreichen Geschäftsmodellen, in eine neue Ära in Live Kommunikation führen. Thomas Scherrer diagnostiziert Szenarien für eine post-Corona Ära.
by Thomas Schärer | 3. Februar 2021
«In Zukunft sehen wir online eine Differenzierung von Botschaften
und einen Ausbau des Reichweitenmarketings,
damit Live zum Mehrwert wird.»
Der Wunsch nach Live-Events, nach persönlichen Treffen mit der Möglichkeit zum Netzwerken, wird jeden Tag, an dem das verunmöglicht ist, grösser.
Gleichzeitig erkennen wir kaum eine Rückkehr an Messen und Meetings ohne virtuelle Flankierung. Unsere Kunden planen ganz klar sowohl als auch. Aber der entscheidende Unterschied zu früher liegt darin, dass unsere Kunden mit ihren Interessengruppen länger im Kontakt bleiben wollen, idealerweise über das ganze Jahr hinweg und hier sind wir bei der 360 Grad-Kommunikation angelangt. Es wird kaum eine Rückkehr zu ausschließlichen Live-Events geben, weil dafür wenig Grund besteht. In Zukunft sehen wir online eine Differenzierung von Botschaften und einen Ausbau des Reichweitenmarketings, damit Live zum Mehrwert wird.
Früher war der Standard, dass Kunden an ihren Events möglichst viele Gäste dabei haben wollten. Aber man hat gemerkt, dass die Reichweite fehlte. Viele Kunden haben dann gesagt: wir wollen unseren Event noch stärker gewichten, wir wollen unseren Anlass mit weniger Leuten noch hochwertiger gestalten, wir wollen eine exklusive Gruppe live dabei haben ohne jene zu verpassen, die nicht dabei sein können. Um den Ausbau dieser Reichweite geht es, wenn wir von 360 Grad Livekommunikation sprechen. (Bild: Markenkongress mit Opera AG)
«Live Netzwerken ist notwendig – aber wir
verpassen viele Menschen in der Zielgruppe,
die an unseren Botschaften interessiert sind.»
Ein anderer Vorteil, den virtuell bringt liegt darin, dass man auch jene Zielgruppen erreichen kann, die für einen Event von kürzerer Dauer nicht eine lange An- und Rückreise auf sich nehmen wollen. Die hybride Lösung der Zukunft heißt hier Ausbau der Reichweite zu den UserInnen aber gleichzeitig soll der Live-Event einen Mehrwert bieten. In Zukunft werden wir weniger, aber größere Vor-Ort-Events mit einer stärkeren digitalen Flankierung sehen. Die Verlagerung hin zu Streaming-Events wird bleiben.
Digital fehlt der Response, die Energie des Publikums, denken wir nur an Fußball ohne Zuschauer! Für Grosskunden arbeitet Opera AG deshalb mit fernseh-erprobten Moderatoren zusammen, weil sich TV-Profis gewohnt sind, ohne unmittelbares Feedback aufzutreten. Zusammen mit unseren Partnern bieten wir Unternehmen deshalb auch Medientrainings an. Das ist eine entscheidende Dimension. Kein Spitzensportler geht an einen Wettkampf, ohne zu trainieren und das verhält sich vor der Kamera genau gleich. (Bild: Studioatmosphäre bei Opera AG)
Viele Moderatoren und Präsentatoren von live Events leben von und reagieren auf die Reaktionen eines Live-Publikums und können sehr gut damit umgehen. Online hast Du eine ganz andere Situation, die unsere Kunden, die an das Liveformat gewohnt sind, nicht kennen. Wenn ein Event live geklappt hat, bedeutet das deshalb noch nicht, dass er auch digital funktioniert.
Storytelling lässt sich vergleichen mit dem Fernseher: Newssendungen kommen ganz anders rüber als Dokumentationen und bei letzteren wird Storytelling noch wichtiger. Eine Story ist eine Nachricht plus Emotionen. Was Streaming betrifft sind sich die Leute noch zu wenig bewusst, welche technischen Voraussetzungen, aber auch welche Professionalität im Storytelling notwendig sind. Unseren Kunden vermitteln wir, dass Streaming mehr ist als nur Technik, es braucht eine Kompetenz in Storytelling und Dramaturgie. Wenn man sich das bewusst ist, gewinnen digitale und hybride Events stark an Qualität.
Für Opera-Kunden kann es matchentscheidend sein, ob ein Streaming im Studio von Opera AG oder im eigenen Haus durchgeführt wird. Stellen Sie sich eine Maschinenfabrik vor, die rund um ihre Maschinen-Innovationen Botschaften kommunizieren will. Wenn man einen Stream in einem Umfeld der Produktionshalle präsentiert, entstehen ganz andere, emotionalere Stories als in einem externen Studio. Unser Geschäft mit Festinstallationen für permanente oder semi-permanente Livestreamingstudios ist stark angestiegen.
Werden wir überhaupt noch zwischen live und digital unterscheiden? Verschmelzen beide Kanäle einfach zu einem einzigen? Das ist zur Zeit vielleicht die meistgeführte Diskussion unter unseren Kunden. Wir befinden uns mitten in der digitalen Transformation. Während in der Vergangenheit Anlässe wie Messen oder Meetings gesetzt waren, hat man irgendwann gemerkt: live Netzwerken ist notwendig – aber wir verpassen viele Menschen in der Zielgruppe, die an unseren Botschaften interessiert sind.
Seit wir hybride Formate kennen, können wir diesen Konflikt teilweise beheben. Live ist für die Begegnung unter Stakeholdern, digital für Leute die, auch aus Zeitgründen, mitmachen wollen, ohne dabei zu sein.
Daraus ergeben sich ganz neue Geschäftsmodelle. Denken Sie nur: Ihr Event hat ein bezahltes Premiumangebot, etwa das Referat eines Keynotespeakers oder ein digitales Match-Making-Werkzeug und dann ein kostenloses Freemium-Angebot, für jene, die mitmachen, aber nicht das bezahlte Angebot nutzen wollen. So entstehen völlig neue Geschäftsmodelle. Das, das Streaming eines Events und das Einrichten des Bezahlmodells, das kann nur digital. Opera AG ist seit letztem März mit Hochdruck am streamen. Ich bin froh, dass wir früh dran waren.
Hier stehen wir noch ganz am Anfang oder vor dem Anfang einer Entwicklung. Stellen Sie sich vor: Ein internationaler Kunde will eine Onlinekonferenz unter Einschluss von chinesischen TeilnehmerInnen, aber wichtige Kanäle wie YouTube oder Facebook sind in China nicht erlaubt. Das sind Aufgaben, die hinter der reinen Dramaturgie eines Events wenig sichtbar sind. Man ist sich zu wenig bewusst, was bei einem digitalen Auftritt alles zu berücksichtigen ist. Das sind ganz neue Herausforderungen, die auf uns zukommen.
Thomas Schärer ist CEO von Opera AG in Opfikon, Zürich.
Interview: Urs Seiler
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