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Digitale Erweiterung, nicht Ersatz: Thesen zur Digitalisierung in der Messewirtschaft

Dass Messen heute eine digitale Komponente brauchen, ist klar. Wie diese allerdings aussehen soll, weniger. Hier folgen 6 von 11 Thesen, wo die Reise hingehen kann.

 

von Matthias Baldinger, CEO Conteo AG || 7. Juni 2024

 


Die Messewirtschaft ist volatiler denn je. Neben der ständigen Herausforderung, Messen als wichtigstes Marketing-Instrument zu behaupten, mindestens im Industriegüterbereich, sind es neue Themen wie der zunehmende Ruf nach Nachhaltigkeit oder das bereits gesetzte Thema der Digitalisierung, die auf die Messewirtschaft einwirken: Es sind zahlreiche, gewaltige Mechanismen, die auf alle Messeveranstalter Auswirkungen haben werden oder bereits haben. Gerade bei der Digitalisierung scheint der Weg zwar da zu sein, aber noch nicht klar, wo dieser hinführt. Ich habe 11 Thesen, die diesen Weg greifbarer machen, formuliert. In diesem Aufsatz schildere ich die ersten sechs.

 

These 1: Außer Frage: Das Produkt «Messe» muss digital erweitert werden.

Messen haben schon immer Angebot und Nachfrage zusammengebracht. Heute müssen sie dies nicht nur vor Ort, sondern auch digital tun. Denn Besuchende, die alle 2 bis 3 Jahre auf gut Glück durch die Messehallen laufen, sind nicht länger das Ziel. Das ist aber leider auch das Einzige, was momentan klar ist. Denn bereits bei den Zielen, die diese digitalen Erweiterungen erreichen sollen, gehen die Meinungen auseinander.

 

These 2: Digitale Erweiterungen müssen drei Ziele erreichen: Die physische Messe verbessern, neue Umsatzquellen erschließen und Kosten senken.

Das Kernprodukt von Messeveranstaltenden werden auch in Zukunft physische Messen sein. Das Hauptziel einer digitalen Erweiterung muss also sein, die physische Messe zu verbessern und zu stärken. Aber Messebudgets stehen unter Druck, das heißt, dass eine digitale Erweiterung als zweites Ziel neue Budgettöpfe erschließen muss. Wir sind überzeugt, dass Messen richtig aufgestellt sind, um neben ihrem Live-Marketing-Produkt ein Online-Marketing-Angebot zu lancieren. Damit könnten sie das allgemeine Marketingbudget von Ausstellenden erschließen. Das letzte Ziel ist die Kostensenkung: Und diese gelingt, wenn die Veranstaltenden im Digitalen gleich denken, wie im Analogen.

 

These 3: Das oberste Ziel: Mehr «Return on Time» für Besuchende.

Wenn wir über eine digitale Erweiterung nachdenken, müssen wir immer bei den Besuchenden beginnen. Wenn diese Partei ihre Ziele erreicht, nämlich die richtigen Ausstellenden zu finden, dann sind nicht nur sie glücklich, sondern auch die Ausstellenden und Veranstaltenden. Also, was muss getan werden, um die Messe für Besuchende zu verbessern? Ganz einfach: ihren «Return on Time» erhöhen. Besuchende investieren viel Zeit in ihren Messebesuch und wollen dafür einen Return: Input zur Lösung ihrer Herausforderungen, neue Lieferanten kennen lernen, Inspiration. Dass die Messe dabei mit anderen Möglichkeiten, wie z.B. Google-Recherchen konkurriert, ist klar

 

Wir haben in den letzten Jahren eine Vielzahl an Besucherbefragungen gelesen. Der «Return on Time» von Messen scheint aktuell OK zu sein. Der Grundtenor in diesen Befragungen: Die Messe war gut und es war richtig dort zu sein, aber – es immer das Gleiche und wenig Neues war dabei. Auf einer Messe nichts Neues zu finden, ist fast unmöglich. Also warum ist das in den Augen der Besuchenden so? Weil die Menschen nicht mehr bereit sind vor Ort zu suchen. Sie sind es gewohnt, Dinge im Internet schnell und einfach zu finden. Genau das muss eine digitale Erweiterung leisten können. Wenn wir es schaffen, dass ein Besucher zwei neue Dinge online auf der Messeplattform entdeckt und deswegen gut vorbereitet vor Ort zwei neue relevante Ausstellende besucht, wird sein «Return on Time» von Ok auf «sehr gut» steigen.

 

Pilotprojekt: Zusammenarbeit von Conteo und der Messe Erfurt zur Rapid.Tech 3D-Event.


These 4: Größtes Missverständnis der Messewelt: Aussteller-Content sei minderwertig, weil werblich.

Messen müssen es also schaffen, dass Besuchende online neue Dinge entdecken, um dann diese Ausstellenden vor Ort zu besuchen. Ausstellerverzeichnisse stoßen hier aber an ihre Grenzen. Heute geht es nicht mehr darum, eine Liste von Anbietern zu Produktkategorie XYZ zu finden. Es geht darum, Lösungen für bestimmte Herausforderungen zu entdecken, zum Beispiel «meine Firma muss nachhaltiger werden» oder «mein Produkt muss leichter werden». Diese Lösungen sind oft sehr komplex und teilweise unerwartet. Sie müssen erklärt werden. Dafür braucht es den Content der Ausstellenden.

 

Dieser Umstand ist absolut zentral. Denn nur dieser Content schafft es, dass Besuchende relevante und neue Ausstellende entdecken. Hier liegt eines der größten Missverständnisse der Messewelt. Wir hören häufig das Argument, dass Aussteller-Content werblich und damit minderwertig sei. Im Gegenteil, wenn Besuchende Aussteller-Inhalte lesen, erfüllt damit die Messe ihr Nutzenversprechen und bringt Besuchende mit Ausstellenden zusammen. Wenn Messen also den Flow: Interesse  Content  Aussteller abbilden können, wird die Messe für alle Beteiligten besser.

 

These 5: Schlüssel zu neuem Geschäftsmodell: Veranstaltende können auch nach der Messe einen «Return on Time» für Besuchende kreieren.

Besuchende kommen zu einer Messe, um sich mit den Themen zu beschäftigen, die sie interessieren, zum Beispiel wie ich meine Produkte nachhaltiger machen kann. Diese Themen beschäftigen sie auch nach der Messe. Oft ist es sogar Teil ihrer Arbeit, zu diesen Themen auf dem Laufenden zu bleiben. Im Moment wird dieses Bedürfnis durch Newsletter-Abonnements relevanter Unternehmen, das Lesen von (Fach-)Magazinen, regelmäßige Besuchen von ausgewählten Webseiten oder über soziale Medien wie LinkedIn, erfüllt.

 

Messen können hier einen Beitrag leisten, indem sie die Neuigkeiten ihrer Ausstellenden ganzjährig aggregieren und den Besuchenden gefiltert nach ihren Interessen zugänglich machen. Mittels personalisierten E-Mail-Updates für Besuchende kann die Messe so zum «Super-Newsletter» der Branche werden. Relevante Aussteller-Inhalte werden für jede Person individuell zusammengestellt.  So können Besuchende mit weniger Aufwand auf dem Laufenden bleiben – was wiederum ihren «Return on Time» verbessert.

 

Und genau das ist der Schlüssel zur Lancierung eines Online-Marketing-Angebots. Denn die Ausstellenden wollen diese Menschen auch nach der Messe erreichen und haben dafür auch Budget. Aktuell geben sie dieses Geld nicht bei Messen aus, sondern für Anzeigen, Google-Ads oder LinkedIn-Kampagnen. Ein Umstand, der sich ändern lässt.

 

These 6: Content-Marketing-Trend: Eine riesige Opportunität für Messeveranstaltende und Ausstellende.

66 % aller Unternehmen betreiben heute Content-Marketing (Content Marketing Studie 2023, Seite 14), das heisst sie produzieren hochwertige Inhalte, die für ihre Zielgruppe einen Mehrwert generieren. Was viele Unternehmen benötigen ist Reichweite für ihren eigenen, meist teuer produzierten Content. Und genau hier liegt eine große Chance für Messen. Wenn sie es schaffen ihre Besuchenden auf einer Contentplattform zu aktivieren, haben sie auf einen Schlag eine riesige Reichweite: zehntausende oder gar hunderttausende von Personen einer hochspezifischen Zielgruppe. Gleichzeitig besitzen sie bereits die Geschäftsbeziehungen zu ihren Ausstellenden, die genau diese Zielgruppe erreichen wollen und können ihnen einen attraktiven neuen Kanal anbieten.

 

TAKE OUTS

Das sind die ersten sechs von 11 Thesen von Matthias Baldinger, CEO Conteo. Die nächsten fünf Thesen erscheinen hier am 21. Juni 2024.

 



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