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«Einen Messestammgast zu erzeugen, das ist unglaublich schwierig bis unmöglich»

Nicht erst seit dem Rückzug von RX (Reed) ist der Messeplatz Österreich in Bewegung. Armin Egger, Vorstand MCG Messe Congress Graz, schildert smartville. digital, was ihn so umtreibt.

 


In Kürze

«Vergessen wir nicht, dass Länder wie Österreich und auch die Schweiz sehr davon abhängig sind, wie sich der Wirtschaftsraum Deutschland entwickelt.»

 

«Auch der Kongress- und Eventbereich wird an den Hochschulen total stiefmütterlich behandelt.»

 

«Trotzdem war das Tempo und die Rigorosität, mit dem diese Übernahme durchgezogen wurde, eine kleine Überraschung.»

 

«Ein Locationsbetreiber kann sich doch nicht allein auf Dritte verlassen…»

 

«Zwischen den Messen werden wir völlig vergessen.»

 

«Man muss aufpassen, dass man man sich mit digitaler Transformation nicht selber abschafft.»

 

Armin Egger, was bewegt Sie zur Zeit zur Messe- und Kongresswirtschaft in Graz am meisten und lässt Sie nicht schlafen?

Die grösste Herausforderung ist momentan die zentraleuropäische Entwickung der Wirtschaft mit einem stagnierenden Konsum. Vergessen wir nicht, dass Länder wie Österreich und auch die Schweiz sehr davon abhängig sind, wie sich der Wirtschaftsraum Deutschland entwickelt. Die wirtschaftliche Lage schlägt ja jeweils, mit einer kleinen Verzögerung, auf die Messewirtschaft durch. Da sind wir 1:1 abhängig. Momentan ist post-pandemisch vieles rückläufig, obwohl wir einen zwischenzeitlichen Hype hatten.

 

Wenn ich Österreich anschaue, da ist zum Beispiel die Bauwirtschaft zu einem vollkommenen Stillstand gekommen. Unsere Baumaschinen Demonstrationsmesse MAWEV ist zwar auch in diesem Frühjahr sehr gut gelaufen. Aber wenn wir sie im jetzigen wirtschaftlichen und politischen Umfeld neu aufstellen müssten, würde das anders aussehen.

 

Ich habe das Gefühl, dass die Politik in verschiedenen Ländern den Kopf in den Sand steckt vor der Realität, die wir wirklich haben, der wir uns aber stellen müssen.  

 

Sie haben an der renommierten Universität St. Gallen Tourismus und Destinationsmanagement studiert und in Kalifornien Ihr MBA absolviert. Wahrscheinlich wurde an beiden Hochschulen das Thema Messe kaum je oder höchstens als Fussnote erwähnt. Verliert die Messewirtschaft damit Talente?

Das ist leider absolut richtig und es ist nicht nur der Messebereich, auch der Kongress- und Eventbereich wird an den Hochschulen total stiefmütterlich behandelt. Das bedeutet, dass wir als Veranstalter am Ende des Tages selber Ausbildner sein müssen.

 

Wie reagieren wir nun darauf? Bei der Messe und Congress Granz haben wir mehrere leitende Mitarbeitende, die an Schulen und Fachschulen tätig sind. Ich selber hatte viele Jahren eine Gastprofessur an der Universität Graz zu diesen Themen. Das ist wichtig, weil wir der Branche ein Gesicht geben können für Menschen im jungen Alter, das sonst komplett fehlt. Es hat uns in der Rekrutierung von Nachwuchs sehr geholfen.

 


Im Mai 2024 haben die Stadt, das Land und die Wirtschaftskammer von Salzburg das Messegeschäft von Reed RX übernommen. Damit wird das Salzburger Messezentrum, ein Wettbewerber der Messe Congress Graz, verstaatlicht. Wie beurteilen Sie die Übernahme?

Das kann ich für RX nicht beurteilen. Wir haben das eine oder andere mitbekommen. Trotzdem war das Tempo und die Rigorosität, mit dem diese Übernahme durchgezogen wurde, eine kleine Überraschung.

 

Unser Mitbewerber und Kollege in Salzburg hat jetzt einiges übernommen: das ist für mich eine ganz selbstverständliche Entwicklung. Messe und Congress Graz hätte das Gleiche gemacht, ich bin überzeugt, Salzburg wird das Messegeschäft hochprofessionell ausbauen. Messen sind nach wie vor ein lukratives Geschäft, die Weiterführung tut dem Standort Österreich und der Messewirtschaft grundsätzlich gut.

 

Die Personalunion von Messeplatzinhabern mit ihrem Messeveranstaltungsgeschäft ist in Europa ziemlich einzigartig und wird namentlich von Messeveranstaltern ohne eigenes Messegelände kritisiert, weil sie Wettbewerbsnachteile befürchten. Wie beurteilen Sie das?

Wir hören solche Stimmen auch regelmässig. Auf der anderen Seite muss man erkennen, dass es heute nicht mehr wirtschaftlich ist, dass sich ein Locationbetreiber allein auf Dritte verlässt. Wir müssen selber aktiv werden. Es ist deshalb legitim, dass Eigentümer, seien sie privat oder öffentlich oder öffentlich-rechtlich, selber aktiv werden.

 

Welche wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wünschen Sie sich für den Messeplatz Österreich?

Wissen Sie, wir haben viele Anlässe, an denen sich unsere Politiker zeigen können und zeigen wollen. Sie alle treten gerne hier an. Zwischen den Messen werden wir dann allerdings wieder etwas vergessen. Ich spreche hier nicht von materieller, sondern von ideeller Unterstützung, etwa indem die Bedeutung von Messen als Wirtschaftsmotoren für die Regionen, in denen wir tätig sind, konstanter unterstrichen werden. Vergessen wir nicht: es ist nicht selbstverständlich und geschieht nicht ohne Anstrengung, dass eine Messe die Wertschöpfung für eine Region produziert. Wir bräuchten eine durchgehende persönliche, politische und wirtschaftspolitische Unterstützung in der Öffentlichkeit für unsere Standorte und Formate.

 

Dann brauchen wir dringend einen Bürokratieabbau. Bürokratiehürden in Österreich sind hoch, ebenso die Steuerbelastung, etwa die Belastung auf Arbeitszeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

 

Dann haben wir aktuell immer noch eine Energiekrise, was die zu hohen Preise betrifft, die wir nicht an unsere Kunden weitergeben können, aber langfristig schlucken müssen.

 

An der FAMA-Messefachtagung vom 4. Juli in Dornbirn sagten Sie, «Wir dürfen die Wichtigkeit von Messeformaten für Communities nicht überschätzen. Communities sind opportunistisch, sie engagieren sich nur, wenn es ihnen etwas bringt». Ist das eine Art Bankrotterklärung in der Ansprache jüngerer Generationen für Messen?

Tatsächlich haben wir Messestandorte alle die Herausforderung, an die jüngeren Generationen heranzukommen. Ein Mittel dahin sind die elektronischen Medien. Aber auch die sind nur  ein Teil des Gesamtmixes. Wie also kommen wir an junge Menschen heran?

 

Wir versuchen auf der Senderseite Menschen zu haben, die ähnlich denken, sich gut auskennen und versuchen, entsprechende Botschaften und Inhalte für die jüngeren Generationen aufzubauen.

 

Aber in Communities, so wie man das früher gemacht hat, einen Messestammgast zu erzeugen, das ist unglaublich schwierig bis unmöglich.

 

Jüngere Menschen rezipieren einzelne Produkte, für die sie sich gerade interessieren, aber sie ignorieren den ganzen Rest, den sie auf einer Messe antreffen. Wenn man davon ausgeht, dass diese Zielgruppen sich breit interessieren, liegt man falsch. Man muss dann ein faires Angebot für diese Zielgruppe schaffen.

 

Messe Congress Graz hat z.B. seit einigen Jahren eine Zusammenarbeit mit Nintendo, um ein entsprechendes Publikum abzuholen. Interessanterweise erreichen wir mit dieser Taktik gleich verschiedene Generationen.

 

Ein Keynotespeaker plädierte an derselben Fachtagung, dass die Messewirtschaft einen Perspektivenwechsel brauche. Wie kommt das bei Ihnen an?

Das ist gar nichts Neues. Im Endeffekt ist es Teil unseres Geschäfts, unsere Perspektiven anzupassen und umzulenken. Die einzige Konstante bei uns ist die Veränderung, das ist Teil des Messegeschäfts.  Das ist manchmal nicht einfach, vor allem wenn ein Format über Jahre erfolgreich war, aber heute vielleicht stagniert.

 

Das hat wenig mit digitaler Transformation zu tun. Man muss aufpassen, dass man mit Digitalität nicht wahnsinnig viel Geld verbrennt und sich im Wunsch nach digitaler Transformation nicht selber abschafft.

 

Es gibt sie ja schon, die virtuellen oder Onlinemessen, die da heissen Google, Amazon oder E-Bay, Dafür braucht es uns nicht, dafür sind wir zu klein, zu spät, diesen Sprung werden wir nicht mehr schaffen. Die Messewirtschaft braucht aber eine permanente digitale Erweiterung ihrer Administration zu Gunsten unserer Aussteller- und BesucherInnen. Selbstkritisch muss ich anfügen, dass wir als Veranstalter selbst nicht schnellgenug und nicht einfach genug sind. Da gibt es noch viel Luft nach oben.


Interview: Urs Seiler





 


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