Julien Rousseau ist Brand Director der Sustainability Days vom 28. bis 29. März 2023 in der Messe Basel. Er erklärt in einem bemerkenswerten Interview, worauf es jetzt in der Messewirtschaft zum Thema Nachhaltigkeit ankommt.
by Julien Rousseau | Basel, 24. November 2022
Julien Rousseaus Plädoyer
«Erlebnis wird wichtiger werden als Besitz.
«Für die Messen der Zukunft gilt noch mehr: Qualität statt Quantität.
«Die MCH Group AG erwartet zu Beginn 2023 die erste Ökobilanz.
«Nachhaltigkeit kennt keine «one size fits all» Lösung.
«Städte belegen aktuell rund drei Prozent der Weltoberfläche, verbrauchen jedoch drei Viertel der globalen Ressourcen und sind für 75% der globalen Emissionen verantwortlich.
«Lieferanten und Eventpartner werden von der MCH Group auf ihre nachhaltigen Konzepte hin geprüft.
Julien Rousseau, Du bist Brand Director der neu lancierten Sustainability Days der MCH Group, die Bündelung der bestehenden Smart Suisse und MUT-Messe, ergänzt um die neuen Formate Re’ Summit und Future Proof Infrastructure. Was bewegt Dich zurzeit am meisten zum Thema Nachhaltigkeit und lässt Dich nicht schlafen?
Das Thema Nachhaltigkeit ist omnipräsent. Die aktuelle politische Situation verstärkt diesen Effekt noch mehr. In Davos am World Economic Forum im Mai 2022, wurde mir die Wichtigkeit dieses Thema nochmals bestätigt. Praktisch die ganze Stadt war mit Sustainability-Slogans versehen.
Aktuell beschäftigt mich der Gedanke, dass wir die Dinge heute anpacken müssen und nicht morgen. Deshalb kommunizieren wir den Slogan «Get things done» bei den Sustainability Days am 28. und 29. März 2023 in Basel. Die Messen und Kongresse der vier parallelen Plattformen leisten sowohl mit ihrer jeweiligen Mission als auch im Verbund einen konkreten Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit.
Der Weltmesseverband UFI will bis im Jahr 2050 klimaneutrale Messen, der AUMA bis im 2040. Glaubst Du an die Machbarkeit eines solchen zeitlichen Fahrplans und die Machbarkeit von CO2-neutralen Messen? Und wenn ja: wo steht die MCH Group heute auf diesem Weg und was ist der nächste notwendige Schritt für die MCH Group und andere Messeveranstalter?
Ziele sind wichtig und sich gemeinsam in der Industrie auszutauschen ist wertvoll, da es bei der Nachhaltigkeit keine «one size fits all» Lösung gibt und das «Wie» sich von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden wird. Die Ziele sind mit Sicherheit ambitioniert, weil es sich bei einer Messe um ein sehr komplexes Konstrukt mit vielen Abhängigkeiten in der Lieferkette handelt.
Eine weitere große Herausforderung der Messen sind oft die Scope 3 Emissionen, welche durch die Anreise von Austellern und Besuchern anfallen. Hier ist der größte Hebel zu erwarten, vor allem bei internationalen Messen. Es gilt mit gezielten Anreizsystemen das Reiseverhalten unserer Community zu beeinflussen.
Es ist wichtig, die Grundlagenarbeit zu machen und den Status Quo des Emissionsprofils des eigenen Unternehmens zu kennen. Die MCH Group AG hat bereits begonnen, auf globaler Ebene die Emissionsdaten mit myclimate zu sammeln und erwartet zu Beginn 2023 die erste Ökobilanz. Diese wird uns zeigen, wo die größten Hebel liegen, um die Emissionen zu reduzieren. Diese Reduktionsbemühungen zeigen sich dann bestenfalls schon im Folgejahr. Zeitgleich bereiten wir uns schon auf die neue Reportingpflicht für das Finanzjahr 2023 vor.
Die SmartSuisse dreht sich um die Vernetzung des öffentlichen Sektors mit der Wirtschaft und Wissenschaft. Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit respektive CO2-Neutralität in den Städten der Zukunft? Werden wir uns nur noch auf Fahrrädern bewegen in den Großstädten? Werden Autos verbannt?
Die SmartSuisse steht für intelligente Lösungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Städte belegen aktuell rund drei Prozent der Weltoberfläche, verbrauchen jedoch drei Viertel der globalen Ressourcen und sind für 75% der globalen Emissionen verantwortlich. Auf Grund dessen spielen die Städte der Zukunft eine zentrale Rolle im Kampf gegen die Umweltbelastung.
Die Mobilität der Zukunft wird immer stärker vom Fahrrad geprägt. E-Bikes, Lastenräder und letzte Meile-Konzepte werden immer wichtiger. Das Auto wird sich höchstwahrscheinlich nicht vollständig aus der Stadt zurückziehen. Insbesondere autonomes Fahren wird die Rolle des Autos verändern. Das Erlebnis wird wichtiger werden als der Besitz.
Gibt es wichtigere Themen? Welche Ansprüche stellt die MCH Group an nachhaltiges Kongressverhalten an die Smart Suisse-Aussteller und –BesucherInnen? Welche Vision hast Du oder die MCH Group von der «smarten», CO2-neutralen Stadt der Zukunft?
Die MCH-Group bietet die Event-Plattform, sich zu den wichtigen Themen unserer Zeit auszutauschen, kann aber das Verhalten unserer Aussteller und Partner nur zum Teil beeinflussen. Wir empfehlen modulare Standsysteme, die mehrfach für verschiedene Anwendungen genutzt werden und unterstützen mit langlebigen Systemständen und -theken, die nach der Nutzung wieder komplett eingelagert werden. Unsere Messehallen sind energieoptimiert, Lieferanten und Eventpartner werden auf ihre nachhaltigen Konzepte hin geprüft.
Das urbane Leben von morgen stelle ich mir grün, lebenswert, mit umfangreichen ressourcenschonenden, digitalen Möglichkeiten und viel Selbstverantwortung aller Bewohnerinnen und Bewohner vor. Flexible Arbeitsmodelle, Reduktion der Arbeits- und Reisewege, dichter bebaute Quartiere und vor allem ein noch bewussterer Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen schützen die Lebensqualität der nachfolgenden Generationen.
Am 21. Juni 2022 präsentierte die MCH Group/Expomobilia ihr brandneues Messebausystem aus Holz.
Die Messe für Umwelttechnik MUT hatte ein klassisches Messeformat, aber sie ist ausstellerseitig und besucherseitig eher rückläufig. Welchen Wert haben die quantitative Messekennzahlen von Zahl der Aussteller und BesucherInnen, die Größe einer Messe in Zukunft? Und welche Chancen haben ein nationaler oder regionaler Event wie die Sustainability Days im Wettbewerb gegen die berühmten globalen Leitmessen?
Für die Messen der Zukunft gilt noch mehr Qualität statt Quantität. Die Messeauftritte werden kleiner, nachhaltiger, kostenbewusster. Aber umso mehr gilt es dabei zu sein, persönliche Kontakte und das große Netzwerk eines nationalen Treffpunkts zu nutzen.
Kleinere Präsenzangebote bieten potenziellen Ausstellern wieder mehr Teilnahmemöglichkeiten ohne einen allzu großen finanziellen und personellen Aufwand. Wir fokussieren die MUT 2023 thematisch klar auf das Kerngebiet der Umwelttechnik. Der Einbezug nationaler und regionaler Behörden, konkrete Aufgabenstellungen und neuste Entwicklungen zum Schutz der Umwelt bringen alle Entscheidungsträgerinnen und Fachexperten in Basel zusammen.
Die MCH Group hat in den letzten Jahren wirtschaftlich, nicht zuletzt durch das Veranstaltungsverbot, schwer gelitten. Aber eigentlich ist die MCH Group eine große globale Marke. Was könnte diese starke Marke für eine Mission zum Thema Nachhaltigkeit oder mindestens Nachhaltigkeit in der Messe- und Kongresswirtschaft haben? Zum Beispiel mit dem Nachhaltigkeitskongress Re’ Summit?
Die MCH Group ist sich ihrer Markenverantwortung und des damit zusammenhängenden Einflusses bewusst. Sie hat Nachhaltigkeit deshalb auch zur Managementaufgabe gemacht. Seit dem ersten September 2022 ist der Verantwortungsbereich im neuen MCH Group Management vertreten, um sicherzustellen, dass das Thema gruppenweit und auch auf einzelnen Produkten realisiert und umgesetzt wird. Die MCH wird sich zukünftig auch in Verbänden und Netzwerken aktiv einbringen, um Erfahrungen zu teilen, zu lernen und den Markt positiv zu beeinflussen.
Mit der neuen Nachhaltigkeitsplattform Re' Summit setzen wir als Veranstalter ein Zeichen für eine verantwortungsvolle Gestaltung des wirtschaftlichen Fortschritts im Einklang mit Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit. Wir wollen Unternehmen, Bildung und der öffentlichen Hand eine Begegnungs- und Wissensplattform für die Lancierung und Umsetzung themenbezogener Projekte bieten.
Die vierte Plattform Future-Proof Infrastructure präsentiert mit kuratierten Early-Stage-Projekten das Matchmaking zwischen globalen Projektentwicklern und globalen Investoren im Bereich nachhaltige Infrastrukturprojekte. Ein gemeinsames Networking Dinner am ersten Abend bringt alle vier Plattformen der Sustainability Days zusammen.
Seit Covid und schon vorher werden Messen hinterfragt, und es gibt Kreise, die zweifeln, ob das Medium Messe im Zeitalter der digitalen Transformation noch zeitgemäß ist. Was sagst Du Deinen Ausstellerkunden zu diesem Narrativ?
Gerade im Zeitalter der digitalen Transformation gewinnt der persönliche Austausch mit Gestik, Körperkontakt und gemeinsamen physischen Erlebnissen immer mehr an Bedeutung. Eine Messe oder ein Kongress ermöglicht es zudem, in kürzester Zeit einen umfassenden Marktüberblick zu erhalten, relevante Entscheidungsträger zu treffen, Wissen auszutauschen und sich mit verschiedenen Anspruchsgruppen zu vernetzen.
Wichtig ist, dass das große Know-how einer Event-Plattform auch für den Rest des Jahres genutzt wird. Deshalb setzen wir auf unseren Websites verstärkt auf interessensbasierte Content-Hubs, um Anbieter und Nutzer 365 Tage im Jahr zusammenzubringen.
Julien Rousseau, was ist Dein persönlicher, nachahmenswerter Beitrag zu einer CO2-freien Zukunft? Was liegt Dir am meisten am Herzen? Wohin möchtest Du die MCH Group führen?
Meine Familie verbringt ihre Ferien zum größten Teil in der Schweiz. Ich wohne in unmittelbarer Nähe der Messe Basel und gehe außerhalb des Home Office zu Fuß oder fahre mit dem Velo an den Arbeitsplatz. Mit getrennter Abfallentsorgung und dem Kauf von regionalen Lebensmitteln möchte ich meinen Kindern ein Vorbild sein und eine lebenswerte Zukunft auch für sie und ihre Generation schaffen.
Mit der Vergrößerung der SmartSuisse und der MUT auf parallele Kongress- und Ausstellungsplattformen bieten wir nicht nur Umweltspezialisten eine Plattform, sondern allen Unternehmen und KMUs, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahne schreiben.
Julien Rousseau, bitte beende den folgenden Satz: «Wenn am 28. März 2023 die Sustainability Days in Basel beginnen ...
... freuen wir uns auf unzählige Kontakte, lehrreiche Inhalte sowie konkrete Projekte zur Nachhaltigkeit unter dem Motto «Get things done». Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren!»
Comments