Auf LinkedIn entbrannte eine Auseinandersetzung, wie erfolgreich die neu lancierte IAA in München vom 7. – 12. Sepember wirklich war. Alter Wein in neuen Schläuchen? Johannes Plass als direkt Involvierter äußert sich. Die IAA gilt als Indikator für die Zukunft der Messe- und Eventwirtschaft.
by Johannes Plass, CEO und Mitgründer Mutabor | 14. September 2021
Johannes Plass, auf Ihren Post auf LinkedIn entstand eine kleine Kontroverse, ob die neu lancierte IAA in München tatsächlich als Erfolg bewertet werden darf. Wie definieren Sie denn «Erfolg»?
In der Vergangenheit war der Key Performance Indicator KPI für die Messung der IAA immer eine Herausforderung. Er fußte auf den erhobenen Besucherzahlen und einer umfangreichen Besucherbefragung. Was fehlte, war der neue Goldstandard in Form der Social Media Revenue-Messung.
Dieser liegt nun vor. Zum einen, indem direkt in soziale Netzwerken gemessen und die Inhalte verfolgt werden, zum anderen durch den Rollout der App.
Der wichtigste KPI in der Branche ist natürlich die globale Reichweite der News rund um die IAA. Hier liegt die IAA wieder an der Spitze der Autoshows. Auch wenn die Besucherzahlen trotz Pandemie ganz ordentlich sind, geht es heute um das Feedback im Social Media Stream. Die IAA hat hier sehr gute Kennzahlen produziert!
«VDA und Messe München werden künftig
wie Medienmarken agieren müssen.»
Sie sagen: «Die reduzierten Besucherzahlen sind ein Witz verglichen mit dem unfassbaren medialen BUZZ, der seinesgleichen sucht.» Was genau meinen Sie damit, ein Witz?
Es geht genau um die oben beschriebene Währung.
Der Gast ist zwar laut Befragung an Autos interessiert und auch potentielle/r KäuferIn, allerdings war es in der Vergangenheit schwer nachzuvollziehen, welche/r BesucherIn mit welcher Marke interagiert und auf der IAA eine Kaufentscheidung trifft. Durch die Social Media- und Media-Messung gewinnen wir tiefere Insighs über die IAA Besucher.
International kann nachverfolgt werden, welche Themen und Produkte der IAA ankommen und zur Interaktion einladen. Da diese Interaktionen mit der Zahl 137 Milliarden (!) eine neue, ungekannte Größe erreicht haben, wirken die Besucherzahlen daneben eben sehr klein. Aber Messe- und Eventbranche kann aufatmen. Die Messe lebt! Anders, aber sie lebt. Und die IAA ist der globale Leuchtturm Deutschlands nach Corona und wird es bleiben.
«In der Folge werden Messestände neu gedacht.
Sie sollen BesucherInnen reizen, das Handy zu zücken
und selbst ein Bild von der IAA zu posten.»
Ein LinkedIn-User sagt, die IAA hätte «way to go» und er erkennt die von Ihnen geschilderte Transformation nicht. Was würde Mutabor bei einer nächsten IAA noch besser machen? Was könnte Standard werden über die IAA hinaus?
Wir waren vier Jahre lang intensiv mit der Entwicklung der IAA befasst. Erst mit leichten Erneuerungen im Rahmen der letzten IAA in Frankfurt, dann als strategische Begleitung bei der kompletten Neukonzeption, dann beim Städtepitch und schließlich bei der Produktgestaltung.
Wir sind erst einmal froh, dass alle neu konzipierten Formate so gut angenommen worden sind und vor allem das Konzept der Probefahrten und die Einbeziehung der Stadt voll aufgegangen sind. Schwächen sehe ich, auch aufgrund der Reisebeschränkungen, noch im Business:to:Business-Format. Konferenz und Ausstellung haben noch deutlich Luft nach oben. Es geht um Agendasetting und klassische redaktionelle Arbeit. VDA und Messe München werden künftig wie Medienmarken agieren müssen. Das ist der »way to go«.
Sie sagen «Die Coronakrise hat viele Dinge beschleunigt. Jetzt präsentiert sich die Branche mit einem neuen Mindset.» Worin besteht Ihrer Ansicht nach der neue Mindset?
Wir kommen aus einer Zeit, in der es darum ging, BesucherInnen in ein Markenerlebnis, eine «Experience» zu entführen. Die Lösung dafür waren oft Hightech Messestände, die die Produktausstellung in Mediatekturen mit einem besonderen Besuchererlebnis verwandelt haben.
Nun geht es um andere Dinge. Der Messestand wird zum medialen Hintergrund für «Content Creators» und muss dementsprechend optimiert werden. In der Folge werden Messestände neu gedacht. Sie sollen BesucherInnen reizen, das Handy zu zücken und selbst ein Bild von der IAA zu posten. Bestes Beispiel dafür ist vielleicht der LGBTQ-Mercedes Stern vor der Feldherrenhalle, den viele, viele Gäste als Selfie-Spot genutzt haben.
Das ist die Manifestierung dieses neuen Mindsets. Es geht nicht mehr um die eigentliche Live Experience. Es geht um den Besucher als Creator. Der Messestand wird zum Studio, zur Bühne, zum Ort, der eine Social Media Interaktion provoziert.
Mutabor nennt sich «the leading house for transformation.» Was ist Ihre nächste dringende strategische Aufgabe?
Die großen Treiber sind wie in jedem Unternehmen die konsequente Digitalisierung und die Annäherung an nachhaltiges Denken und Handeln – wir nennen das Society Centered Design.
Im Experiential Marketing bedeutet es für uns, dass wir im Bereich Social Media nachzulegen haben und das Thema Nachhaltigkeit ebenso konsequent in unsere Prozesse integrieren.
Die #PushForward Kampagne für Volkswagen rund um die IAA ist ein erstes kreatives Werk, das wir in diesem Zusammenhang gerne zeigen.
Mutabor hat die IAA strategisch während vier Jahren in der Neukonzeption begleitet. Es hat auch die Auftritte von Volkswagen und Cupra inszeniert.
und wo ist jetzt die Kritik? Dass Mutabor als Dienstleister der IAA Veranstalter und Aussteller. ein positives Fazit zieht. ist jetzt eher nicht überraschend. Was sagen die Zulieferer, wo sehen sich in dieser Transformation die KMU? Woher weiss Mutabor, dass die Social Media Daten über denen der z.B. Auto Shanghai liegen. Was sagen uns die 137 Milliarden. Welche vergleicbaren (!) KPI zeigen in Zukunft den Erfolg oder Misserfolg einer Messe? Hier werden erstmals online Marketing KPIs in die Messen integriert, die aber selbst bei den großen Werbespender z.B im Konsumgüterbereich ( allein die Mediaausgaben von Procter&Gamble liegen für D bei über 1 Mrd €) Zweifel wecken ob deren Wirksamkeit. Und richtig, das Thema Nachhaltigkeit ohne Greenwashing muss jetzt endlich Priorit…