Henrik Bollmann, Leiter Marketing & Vertrieb des Studieninstituts.de zweifelt, ob die Hilfspakete ausreichen.
by Urs Seiler | 22. März 2021
Guten Tag Herr Bollmann, was bewegt Sie zur Eventwirtschaft in Deutschland zur Zeit am meisten?
Bei vielen MarktteilnehmerInnen lässt sich eine gewisse Resignation, geprägt von Wut und Existenzsorgen feststellen. Da wir die Mehrzahl der Player kennen, welche ja unverschuldet in die Krise hineingeglitten sind, bekommen wir die Sorgen und Nöte der UnternehmerInnen ungefiltert mit. Die vielen Branchenbemühungen, gerade auch in Richtung Berlin, finden sich zwar in Hilfspaketen wieder, ob diese jedoch ausreichen? Natürlich lassen einen die Schicksale nicht kalt. Im Gegenteil.
Inwiefern hat die Pandemie eine Veränderung des Geschäftsmodells des Studieninstituts verursacht?
Einen Großteil unserer Bildungsprodukte haben wir mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit auf Online übertragen. Sehr schnell mussten wir feststellen, dass das Lernen im digitalen Umfeld eine komplett andere Aufgabenstellung ist. Unsere TrainerInnen, MitarbeiterInnen und TeilnehmerInnen mussten auf die neuen technologischen und digitalen Möglichkeiten sehr gut vorbereitet werden. Dies galt und gilt natürlich auch für das neue technische Verständnis, für Innovationen und digitale Tools. Ein spannender Prozess.
Welche Erfahrungen haben Sie online gemacht? Was sind die Langzeitaussichten, was ist Ihr Wunsch, wie soll es weiter gehen: live, hybrid, online?
Wir alle kommen scheinbar nicht mehr an digitalen und virtuellen Tools und Einflüssen vorbei. Videokonferenzen, Online-Trainings und Web-Konferenzen haben wie selbstverständlich Einzug in unseren Alltag erhalten. Dies kommt dem technischen Verständnis und dem Umgang mit den digitalen Tools entgegen. Als Lehrgangs- oder WorkshopteilnehmerIn bin ich in gewisser Weise bereits vorbereitet. Anfängliche Fragezeichen hinsichtlich der Dauer einzelner Kurse, dem Verweilen in Break-out-Räumen, dem Arbeiten in Teams bis hin zur Onlineprüfung – das Lernen und Arbeiten in digitalen Welten kann auch Spaß machen.
Ich glaube, dass der hybride Ansatz erfolgversprechend ist. Die TeilnehmerInnen können selbstbestimmt entscheiden, ob sie vor Ort im Live-Seminar respektive Live-Workshop dabei sein möchten oder sich lieber, unabhängig von Raum und Zeit und auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmt, Wissen aneignen wollen. Als kreativer Bildungs-Dienstleister bieten wir beide Möglichkeiten an.
«Hybridisierung als Allheilmittel für die Veranstaltungswirtschaft
hochzustilisieren halte ich für voreilig.»
Das Studieninstitut ist Partner der BoE International, Messe für Eventmarketing. Sie findet zur Zeit als Road2BoE ausschließlich online, soll dann aber im Juni 2021 wieder live respektive hybrid stattfinden. Welche Erwartungen und Emotionen haben Sie zur BoE International 2021 vom Juni?
Die Erwartungshaltung zur BoE International (Bild oben) ist wohl am ehesten von Neugierde geprägt. Wie schaffen es die MacherInnen dieses einzigartigen Live-Messe-Formats, die Erwartungshaltung der AusstellerInnen sowie der BesucherInnen zu erfüllen? Die Live-Kommunikation ist in großen Teilen von einer aktiven Begegnungskultur geprägt. Nirgendwo ist jedoch definiert, wie diese Begegnungen stattfinden sollen. Als seelenloser Avatar unter Gleichgesinnten? Wohl kaum. Unserem Selbstverständnis nach, hat Kommunikation immer etwas mit Wechselwirkung zu tun – und zwar mit einem Menschen. Ich erwarte mit Sicherheit keine bahnbrechende und in Stein gemeißelte Alternative, eher eine sinnstiftende Übergangslösung, mit der Möglichkeit in echte Augen zu schauen.
«Parallel Inhalte auch online abzubilden -
Da ist noch viel Luft nach oben.»
Was glauben Sie - müssen Veranstaltungen wie die BoE International-Messe transformieren, digital oder analog oder beides? Was ist Ihre Erwartung an Messen der Zukunft, zum Beispiel eine IMEX, Messe für die Meetingbranche?
Ich würde mir da kein bestimmtes Format rausziehen, alle haben Ihre Ausrichtung während der letzten Monate verändert. Meine Erwartung an die Messen der Zukunft sind nicht neu: Wir benötigen einen hybriden Ansatz, den es auch schon vor der Pandemie gab. Ein Live-Erlebnis, eingebettet in Aktionen, die auch vor und nach der eigentlichen Messe stattfinden. Interessant wird es, wie die BesucherInnen reagieren, die früher in regelmäßigen Zyklen an den Veranstaltungen teilgenommen haben. Vielleicht sehen wir eine Veränderung, die es ohnehin nötig macht, parallel Inhalte auch online abzubilden. Da ist noch viel Luft nach oben.
«Digital ist man irgendwie zwar dabei –
aber nicht mittendrin.»
Gibt es eine Zeit nach Corona – oder nur noch eine Zeit mit Corona für die Eventwirtschaft, wie beurteilen Sie das?
Ich bin mir sicher, dass die Erfahrungen vor, mit und nach Corona sowohl privat als auch beruflich einen großen Einfluss auf unser weiteres Tun haben werden. Selbstverständlichkeiten wie vor Corona müssen weiterhin kritisch hinterfragt werden. Die Hybridisierung als Allheilmittel für die Veranstaltungswirtschaft hochzustilisieren halte ich für voreilig.
Eine gewisse digitale Müdigkeit ist trotz technischer Experimente bereits zu verzeichnen. «Studio» ist nicht zu Hause vor dem Tablet. Ein gemeinsames Prost auf digitalen Plattformen? Eher nicht. Klassischer Messetalk – kaum möglich. Digital ist man irgendwie zwar dabei – aber nicht mittendrin. Alternativ könnten wir die Kommunikation auf den Kopf stellen und versuchen sie zu verändern – aber warum? Nur weil sich digital nun ein wenig mehr ausgebreitet hat?
Der Nachholbedarf nach live-Begegnungen ist da und live wird sich seinen Platz wieder zurückerobern. Schnelltests, Impfungen und Hygienekonzepte werden uns das Miteinander wieder näherbringen – ganz bestimmt auch auf Messen und in Lehrveranstaltungen.
Was hat Corona in der Wirtschaft irreversibel verändert und was hat es für das Studieninstitut irreversibel verändert?
Eine Online Fatigue stellen wir nicht fest, da die Phase des Probierens jetzt endet und man weiß, was funktioniert. Sinnvoll genutzt sind die Online Tools eine Bereicherung. Veränderungen gab es natürlich in der Meetingkultur von Unternehmen. So ist es zum Beispiel um einiges einfacher und effizienter geworden, Kolleginnen und Kollegen von dezentral zu integrieren. Das wird sich auch zukünftig durchsetzen.
Das Studieninstitut bietet einen Kurs an in «Digital Marketing». Stellen Sie eine Scheu vor digitaler Transformation fest, weil wir alle nicht bereit sind, liebgewordene Gewohnheiten loszulassen?
Der Kurs Digital Marketing Manager (IHK) hatte auch schon vor Corona einen guten Zulauf. Dass die Digitalisierung voranschreitet, war uns bewusst, aber der Schub, den es jetzt gibt, der war nicht voraussehbar.
Eine Scheu vor der digitalen Transformation ist nicht angebracht und wir bereiten unsere Teilnehmer auf das veränderte Lernumfeld vor. Nach unserem Verständnis lässt sich ein Großteil liebgewonnener Gewohnheiten durchaus in digitale Welten transformieren.
Comments