Live Kommunikation ist zurück, aber Messebau-Unternehmen in der Schweiz haben es wegen der flauen Messekonjunktur schwer.
von Urs Seiler || 26. Juni 2024
Messebautalk am 8. Mai mit von links: Thomas Graber, Zysset Messebau. Ennio Scioli, Zysset Messebau, Urs Bischoff, Bexpo. Andreas Kern, AudioRent Clair und Mitglied des Vorstands Expo Event Swiss LiveCom Association, Karma Memmishofer, Stauffis Messebau. Andreas Messerli, Messerli Live. Nadia Di Santo, Zysset Messebau. Thomas Berger, Syma. Adrian Hug, Standbau Hug. Cyrill Pape, Pape Werbe AG.
Der neue Marketingmix
Das Live Kommunikationsgeschäft befindet sich in einer Transformation. Messen und Events sind als zentrales Marketinginstrument zurück, aber die Flächen sind kleiner - ein typisches Verhalten von Live Kommunikationskunden auf der ganzen Welt.
Viele Kunden gehen deshalb heute zurück zur Überlegung, was sie kostengünstiger im eigenen Haus vornehmen können anstatt einen Dienstleister zu beauftragen. In einer Zeit der Preisexplosion kommen Inhouse-Anlässe teilweise, weil preiswerter als Messeauftritte, wieder in Mode.
Die grosse Materialschlacht der 90er Jahre («Kulissenschieberei») ist heute nicht mehr gefragt. Live Kommunikation ist zwar unbestritten im Marketingmix der meisten Unternehmen, aber die Auftritte sind flächenmässig und budgetmässig weltweit kleiner als früher.
Das waren Schlüsselaussagen am Messebautalk vom 8. Mai, dieses Mal auf Wunsch von und bei Zysset Messebau in Olten.
Eines der teilnehmenden Messebau-Unternehmen machte sogar die pointierte Aussage, wir hätten in der Schweiz ein Messesterben, dieses hätte sich schon vor Corona abgezeichnet und während der Pandemie lediglich beschleunigt. Grund für die Beschleunigung sind die während und nach der Pandemie explodierten Material- und Logistikkosten.
Ein Ausweg aus dieser Situation: Wenn Messen von Events flankiert werden, sind die Kundenbudgets massgeblich höher. Das führt schliesslich zur oft gehörten These: Ein schweizerisches Unternehmen kann vom Messebau in der Schweiz allein nicht mehr überleben. Ein Ausweg der Messebaubranche aus dieser Situation ist es, ihre Kunden auch ausserhalb der Schweizer Grenzen zu begleiten, zuerst natürlich im führenden Messeland der Welt, Deutschland, dem wichtigsten Handelspartner der Schweiz. Und eben das Schaffen eines crossmedialen Live Kommunikationsangebot.
Neue Fähigkeiten sind gefragt
Aber Events brauchen andere, neue Fähigkeiten beim Personal und man war sich einig - von einer jüngeren Generation an Mitarbeitenden, die solche Fähigkeiten mitbringen.
Messerli Live ist seit 2002 im Live Kommunikationsgeschäft, nicht nur im Messebau, tätig. «Wir haben uns seither als Live Kommunikations-Spezialistin positioniert, nicht zuletzt, um Messebaubudgets abzuholen», sagt Inhaber und Verwaltungsratspräsident Andreas Messerli.
38 Prozent des Umsatzes von Messerli liegt heute jenseits des Messebaus. Aber auch hier gilt: «Das schaffst Du nicht mit dem bestehenden Mitarbeiterstab» ergänzte Andreas Messerli. Messerli hat um die Jahrtausendwende zu diesem Zweck mit dem Zukauf von zahlreichen Unternehmen stark diversifiziert. Und Andreas Messerli sagt: «Was ich von Kunden und Mitarbeitenden höre: Es ist immer noch alles live! Live ist die Königsdisziplin im Marketing.»
Kurze Vorlaufzeiten führt zu fehlender Planungssicherheit
Vorlaufzeiten werden immer kürzer und das erste Semester 2024 sah im Konsens der teilnehmenden Messebau-Unternehmen viele Absagen. Das ist die neue Situation, mit der der Messebau in der Schweiz leben muss. Gepaart mit den gestiegenen Kosten wird das Messebau- und Live Kommunikationsgeschäft immer kurzfristiger. «Früher bestand eine relative Planungssicherheit mit Vorlaufzeiten von einem Jahr, heute entfällt diese Gewissheit, das Geschäft wird immer kurzfristiger» sagt Adrian Hug von Hug Messebau – stellvertretend für alle Teilnehmenden am Messebautalk.
Gesucht: gut geschultes Personal
Ein weiterer Paradigmawandel scheint sich abzuzeichnen: Die Kunden haben heutzutage oft besser ausgebildetes Live Kommunikations-Personal (Stichwort: Millennial-Generation) als Messebaufirmen.
Dadurch werden die Briefings anspruchsvoller und grössere Unternehmen wie die Messerli Gruppe sehen sich heute zunehmend in einem internationalen Pitch-Wettbewerb. «Unser Geschäft ist viel komplexer geworden und ein pitchendes Unternehmen muss bereits in der Kommunikation viel besser sein als früher» sagt Andreas Messerli. Kunden sähen einen Messe-Auftritt vermehrt als Teil einer 360-Grad-Kommunikation und notwendig sei deshalb von den Mitarbeitenden «mehr Intelligenz pro m2».
Im Pitchverhalten scheint sich weder bei den Kunden noch bei den dienstleistenden Unternehmen etwas zu ändern und eine eigentliche Pitchpolitik scheint es nur bei wenigen Unternehmen zu geben. Das ist erstaunlich, weil damit auf Seite der Dienstleister wegen der schon statistisch geringen Gewinnchance viel Geld vernichtet wird. «Eine Gewinnratio von 70 Prozent bei Pitches ist rekordverdächtig, bei 30 Prozent sollte man sofort aufhören, an Pitches teilzunehmen», sagte einer der Teilnehmer.
«Die Messebaubranche sollte lernen, den Preiskampf nicht mitzumachen, sondern ihre Preise durchzusetzen» schloss Andreas Messerli.
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