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Metaverse und digitale Transformation: «Das Digitale wird wieder analoger werden»

Die digitale Transformation fühlt sich heute in Teilbereichen noch als Revolution an, weil sie praktisch von Null auf Hundert über uns hereingebrochen ist. Wenn wir uns einmal an das Neue daran gewöhnt haben, verschwindet die Angst davor. smartville.digital-Interview mit Harry Hofstetter, Innovationsmanager und Keynotespeaker, Trihow AG Rotkreuz.


by Harry Hofstetter | 6. September 2022



Harry Hofstetter auf den Punkt

Ob auf Messen, im Einkauf oder im Handel:

Digital hilft analog – und beides nähert sich einander an.


Die analoge Welt bietet auch künftig einiges,

was die digitale (noch) nicht kann: Echtheit im Erleben und Exklusivität.


Seit der Geburt orientieren wir uns im dreidimensionalen Raum – wir träumen sogar im Raum.


Wenn man Angst hat, ist das vielleicht ein Signal,

sich mit etwas zu beschäftigen.


Zwischen den beiden Welten analog und digital

klafft eine grosse Lücke.


Dieses Eintauchen wird uns ermöglichen,

das künftige Internet ganz neu zu erleben – fast wie im Traum.



Harry Hofstetter, was beschäftigt Dich zur Zeit beruflich am meisten?

Ich bin fasziniert vom Wandel unserer Zeit. Wir befinden uns in stetigem Umbruch – die Geschwindigkeit nimmt zu. Mit dem Metaverse, Cyberwährungen oder der Blockchain-Technologie tun sich neue Welten auf. Das ist extrem spannend und eine Riesenchance für die Geschäftswelt. Wir hatten noch nie so viele Möglichkeiten wie in dieser Zeit des disruptiven Wandels.


Wie Du weißt, gibt es Ängste, «online» könne Messen und Events überflüssig machen oder zu einem Verlust an Arbeitsplätzen führen. Wie beurteilst Du diese Annahmen?

Messen werden in Zukunft digitaler werden, aber wenn es um Qualität, um ein maximales Erleben geht, dann besuche ich den Live-Event.


Der Vorteil von «digital» liegt in der Reichweite und der Effizienz. Ich kann zum Beispiel versuchsweise und sehr unverbindlich erst einmal online an einem Event, beispielsweise einem Konzert teilnehmen. Das Konzert von Travis Scott auf der digitalen Plattform Fortnite haben 2020 weltweit 27 Millionen Zuschauer live verfolgt. Die Fanwelt bewegte sich mit ihrem Avatar vor der Bühne. Das wäre in der physischen Welt nicht möglich.


Nehmen wir auf der anderen Seite das Gurtenfestival: Dieses ist mit 20'000 BesucherInnen pro Tag vor Ort ausverkauft. Das Live-Angebot ist limitiert. Es wird dadurch exklusiver. Durch die Anreise und die physische Präsenz wird zudem das Commitment höher – ich klicke mich nicht einfach nach wenigen Minuten wieder aus. Immer wenn es also um Verbindlichkeit und um die Qualität des Erlebens geht, wird das Physische eine zentrale Rolle spielen.



Das Metaverse sieht aus wie «the next big thing». Aber es verursacht auch Ängste. Wie kann man ihnen begegnen?

Menschen haben Angst und Respekt vor dem Neuen – unabhängig davon, ob es sich um neue Technologien oder fremden Kulturen handelt. Es ist eine Angst vor Veränderungen, die urmenschlich ist. Der Mensch hat Angst vor dem, was er nicht kennt – bis er es kennen lernt. Die zurückliegende Pandemie ist ein gutes Beispiel dafür. Kaum jemand fürchtet sich heute noch vor Corona.


Gleich verhält es sich mit dem Metaverse. Wenn man Angst hat, ist das vielleicht ein Signal, sich mit etwas zu beschäftigen. Man merkt dann: das ist gar nicht so gefährlich.


Trihow bezeichnet sich als Brückenbauer zwischen analoger und digitaler Welt. Wie sieht diese Brücke aus und wo kommen wir an, wenn wir sie beschreiten?

Der Mensch ist die letzten 70'000 Jahren physisch durch die Welt gegangen. Wir leben ein analoges Leben - essen, schlafen und atmen.


In den letzten 30 Jahren ist das Digitale mit Höchstgeschwindigkeit angekommen: WhatsApp, Online-Shopping, Teams-Calls, etc. Zwischen den beiden Welten analog und digital klafft eine grosse Lücke. Gewöhnlich werden sie als «entweder – oder»-Welten wahrgenommen. Wir machen zuhause Online-Shopping am PC oder wir stehen eben physisch im Store. Vor Ort entdecken wir Produkte mit allen Sinnen – zuhause filtern, recherchieren und vergleichen wir. Analog und digital sind kaum vernetzt. Trihow verbindet diese beiden Welten auf menschengerechte Weise. In dem wir digital verfügbare Inhalte physisch «be-greifbar» machen, bringen wir Interaktionen auf ein neues Level.


Die digitale Welt wird dabei analoger, aber die analoge Welt wird auch digitaler – denken wir zum Beispiel an eine Speisekarte im Restaurant auf einem iPad. Die beiden Welten wachsen schliesslich immer stärker zusammen.


Harry, Hand aufs Herz, so richtig verstehen nur ganz wenige, was das Metaverse ist. Wie würdest Du es erklären?

Ich bezeichne das Metaverse als ein analogeres Internet. Seit der Geburt orientieren wir uns im dreidimensionalen Raum – wir träumen sogar im Raum. Die dreidimensionale Orientierung scheint für unser Hirn unabdingbar zu sein. Wenn ich zum Beispiel mein Handy suche, dann frage ich mich automatisch, wo ich es zuletzt im Raum benutzt hatte.


Auf der anderen Seite war das Internet bisher flach, ich habe keine Orientierung, was wo ist. Ob Windows-Oberfläche oder Website – jede Navigation ist beschränkt auf zwei Dimensionen. Das Metaverse schafft zum ersten Mal einen noch nie dagewesenen Raum im Internet und dadurch eine neue und gleichzeitig alte Art der Orientierung. Dieses Eintauchen wird uns ermöglichen, das künftige Internet ganz neu zu erleben – fast wie im Traum.


Werden wir in Zukunft Messen wie eine Swissbau, eine Gamescom oder eine Spielwarenmesse nur noch im Metaverse besuchen?

Der grosse Vorteil von digitalen Welten besteht in ihrer praktisch unbeschränkten Reichweite und Kapazität. Die Zukunft wird die Kombination von beiden sehen, sie wird hybrid sein mit zwei parallelen Welten: der digitalen und der analogen. Egal ob bei einer Hochzeit oder einem Messebesuch - wir werden künftig entscheiden können, wie viel Commitment wir investieren und wie wir am Erlebnis teilnehmen möchten. Die Hochzeit vom ehemaligen Mitarbeiter verfolge ich möglicherweise digital – als Bräutigam ist man wohl nach wie vor besser physisch vor Ort (ausser man kennt die Braut aus dem Metaverse).


Die analoge Welt bietet auch künftig einiges, was die digitale (noch) nicht kann: sie bietet Echtheit im Erleben und Exklusivität. Digitalität hilft mir gleichzeitig, diese Exklusivität zu entdecken. Wenn ich künftig im Metaverse gewisse Marken erlebe, führt mich dies vielleicht später zum Messebesuch, respektive dem «echten» Erlebnis.


Nur digital funktioniert aktuell nur beschränkt. Das ist der Grund, weshalb Onlineshops wie Digitec oder Amazon nach wie vor auch auf physische Läden setzen. Ob auf Messen, im Einkauf oder im Handel: unser Verhalten ist überall ähnlich. Digital hilft analog – und beides nähert sich einander an.


Es scheint, dass die IT-Industrie alles digital transformieren will ohne Rücksicht auf unser Menschsein, unsere analoge Geschichte. Wer sind hier die Protagonisten – wer die Gegner und wer die Helfer?

Die Angst vor dem Metaverse oder vor digitaler Transformation ist gross, weil sie noch nicht lange existieren. In 10 Jahren wird das Metaverse für uns so selbstverständlich sein wie es heute Internet oder Radio ist.


Der Kulturphilosoph Gartner spricht von einem Hypecycle. Dinge wie das Metaverse, die sich zu einem Zeitpunkt ganz oben auf dem Hypycycle befinden, werden überschätzt, deshalb ist die Angst vor ihnen gross. Vor wenigen Jahren gab es einen Hype um Gaming oder E-Sport, die als «the next big thing» galten. Dieser Respekt hat sich mittlerweile gelegt. Gleich wird sich das mit dem Metaverse verhalten, wenn der Hype sich einmal legt.


Harry Hofstetter, was kommt nach der digitalen Transformation?

Es gibt kein danach. Digital und analog werden stärker verschmelzen, es findet eine endlose Evolution statt. Als Galileo im 16. Jahrhundert proklamierte, dass die Erde eine Kugel sei, war das eine revolutionäre Aussage. Bis sich der Gedanke allmählich entwickelte und so von einer Revolution zur Evolution wurde.


Das erste Auto war eine krachende Maschine, die aber bis heute und in Zukunft laufend weiter entwickelt wird - durch die Integration einer Heizung, eines Radios, eines Navigators, eines Autopiloten, etc.. Nach der bahnbrechenden Innovation folgt eine Evolution, welche die Dinge optimiert und laufend näher zum Menschen bringt.


Der Mensch wird sich in Zukunft also sowohl digital wie auch analog weiterentwickeln. Wir lieben neuartige Erlebnisse: Dinosaurier-Hologramme im Zirkus, Drohnenshows an den Olympischen Spielen, 4D Kinos. Diese Erlebnisse werden immer digitaler um ein immer besseres analoges Erlebnis zu schaffen.


Die digitale Transformation fühlt sich heute in Teilbereichen noch als Revolution an, weil sie praktisch von Null auf Hundert über uns hereingebrochen ist. Wenn wir uns einmal an das Neue daran gewöhnt haben, verschwindet die Angst davor.


Interview: Urs Seiler



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