Gemäss UFI hat die globale Messewirtschaft im 2024, gemessen an den Gesamtumsätzen, das beste Jahr überhaupt gesehen. Aber nach dem Abflauen der post-Covid Euphorie mit Umsatzrekorden wird das Messejahr 2025 zum Massstab der Zukunft der Messewirtschaft: Die Schweiz braucht neue Messen, Deutschlands Umsatzzuwachs findet in Übersee statt.
von Urs Seiler || 6. Januar 2025
Die größte Messe der Welt: Die Bauma vom 7. - 13. April 2025 in der Messe München.
Neue Messen braucht das Land: Nach dem Verschwinden der Züspa in Zürich, Muba in Basel, des Comptoir Suisse in Lausanne und der Baselworld, braucht nicht nur die MCH Group neue Messen, um wieder in die Gewinnzone zu gelangen.
Das Onlineportal Schweizeraktien schreibt unter dem Titel «Schweizer Messebetreiber: Folgt bald die letzte Messe?», dass die Entwicklung am Rheinknie zu einem Rückgang der wirtschaftlichen Effekte in Basel von 727 Millionen Franken im Jahr 2006 auf 201 Millionen und von 7'900 Stellen im 2006 auf heute noch 1'670 Stellen geführt habe.
Bei der Bernexpo ist man mit 100'000 Franken im 2023 gerade noch in die Gewinnzone gerutscht. Die Olma Messen brauchen dringend neue Messen, um die Neue St. Galler Kantonalbank Halle auszulasten. Palexpo hat im 2024 sowohl die ehemals renommierte Geneva International Motor Show GIMS, früher Internationaler Automobilsalon, als auch die Vitafoods ans Ausland verloren. Die Messe Luzern hat die Suisse Floor verloren und liegt im Unternehmensumsatz 2023/24 von 12.7 Millionen Franken 10% gegenüber dem Rekordjahr 2022/2023 (15.157 Millionen Franken Umsatz) zurück.
Der Messeplatz Deutschland hat in den Jahren 2023 und 2024 landauf und landab Rekordergebnisse geschrieben, aber die Aussteller- und BesucherInnenzahlen im Inland liegen an vielen Orten noch um die 10 Prozent hinter den Vor-Covid-Zahlen zurück. Dies trotz an vielen Standorten ausgelasteten Messehallen, an denen kaum noch Fenster für neue Anlässe bestehen.
Hier sind Anregungen, wie man als Messeveranstalter und -dienstleister zu den Gewinnern im 2025 gehören kann.
Digitalisierung ist keine Sackgasse: Bereitschaft für Disruption:
In der Messewirtschaft geistert manchmal die Vorstellung herum von einer künftigen digitalen Transformation, in die man einmal bequem einfährt – und sie dann abschliesst. So wird das nicht gelingen. Die Frage, welche digitale Transformationen die Messewirtschaft wirklich braucht, nachdem namentlich während und nach Covid deutlich wurde, wie unersetzlich persönlich treffen sind, wird uns als permanenter Prozess begleiten, parallel zu den laufenden Fortschritten der Veranstaltungssoftware.
Künstliche Intelligenz, angefangen bei ChatGPT, das ungeahnte fast science-fiction-mässige Innovationen erlaubt, hat sich in den letzten 18 Monaten wie ein Lauffeuer etabliert, aber sie steht erst am Anfang ihrer eigenen Revolution. Die Herausforderung in deren Einsatz liegt in Agilität und im Veränderungswillen. Kai Hattendorf, der scheidende UFI-Generaldirektor prognostizierte als einen von 5 Trends für die Messewirtschaft am 3. Dezember 2024: «Die Fähigkeit unseres Sektors zu Flexibilität und Anpassung wird noch wichtiger werden.»
Messen müssen sich nach wie vor behaupten gegen Onlinemarktplätze in ihren Industrien. Solche Marktplätze können Ausstellern kosteneffektive Alternativen zu logistisch aufwändigen, teuren Messebeteiligungen anbieten, mit denen sie ein globales Publikum erreichen. Was sie aber nicht anbieten, sind das Vertrauen zu einem Hersteller, das im persönlichen Gespräch entsteht und die berühmte Serendipität, das ungeplante, überraschende Ereignis, wie es sich auf Messen einstellt.
Künstliche Intelligenz annehmen: Kontakt ist König
Technologische Flexibilität und Anpassung ist der Schlüssel für künftige Innovation und sie wird gemäss Kai Hattendorf die Marketingkommunikation und die Vertriebsaktivitäten, auch von Messeveranstaltern verändern. Weil Content «dank» Künstlicher Intelligenz zur Massenware geworden ist, gilt heute nicht mehr «Content is King», sondern «Contact is King», Kontakt als physische Begegnung und digital erweitert. Nach Kai Hattendorf muss dieses Phänomen noch viel stärker ins Bewusstsein gerückt werden.
Geschäftsreisen sind zurück
Das Thema Geschäftsreisen bietet eine gute Anschauung, weshalb digitale Formate nie ein Ersatz für reale Begegnungen, aber deren Stärkung sein können.
McKinsey & Company haben die Erholung von Geschäftsreisen in ihrer Trendschau «Resurgence of Business Travel: Four Emerging Themes» aufzeigt. Thema Nummer drei zielt auf die digitale Transformation in diesem Sektor.
Anders als vielleicht erwartet besteht der Reisetrends nicht in der Substitution von Live-Begegnungen durch Online-Meetings. Im Gegenteil werden KI-getriebene Buchungstools, Direktbelastungen, permanente Preisüberwachung – und Kleinevents-Technologie die Branche transformieren. Gemäss McKinsey ist der Geschäftsreisesektor im 2024 um 6% gewachsen auf ein Ausgabevolumen von 1.5 Billionen US Dollar. Konsequenz: Die BesucherInnenzahlen auf Messen, namentlich auf den deutschen Leitmessen, dürften stabil bleiben oder wieder wachsen.
Das Geschäftsreiseaufkommen dürfte damit weiter zunehmen, was die Belastung für den globalen CO2-Ausstoss erhöhen wird, aber nicht nur. Die unter 3'000 TeilnehmerInnen durchgeführte AUMA-Geschäftsreise-Umfrage kam zum Resultat, dass ein Messebesuch gleich 5 weitere Geschäftsreisen vermeiden hilft.
Kommt die klimaneutrale Messe und wann?
Die deutsche und die internationale Messewirtschaft will bis im Jahr 2040 klimaneutral sein. Namentlich auf den deutschen Messeplätzen sehen wir viel Ernsthaftigkeit zum Thema, was nicht erstaunt bei den Forderungen der rot-grünen Regierung.
Der AUMA Vorsitzende, Philip Harting, beschreibt in der Pressemeldung vom 6. Januar 2025 dringend notwendige wirtschaftspolitische Voraussetzungen in Deutschland, um weiter der führende Messeplatz der Welt zu bleiben: «Die deutsche Messewirtschaft trotzt der Wirtschaftsflaute in Deutschland. Das haben wir jedoch dem treuen internationalen Publikum auf Aussteller- wie Besucherseite zu verdanken. Auch wir spüren zunehmend die Zurückhaltung deutscher Unternehmen, weil deren wirtschaftliche Perspektive hierzulande trübe ist. Die deutsche Messewirtschaft fordert von einer neuen Bundesregierung schnell starke wirtschaftspolitische Impulse für die ausstellende Wirtschaft. Dazu gehört die Ausweitung des renommierten Auslandsmesseprogramms und des Start-up-Messeprogramms Young Innovators. Längst überfällig ist die Digitalisierung der Visa-Verfahren für unsere ausländischen Gäste und Aussteller, die entscheidend sind für unseren Erfolg als Messeplatz Nummer 1 in der Welt. Wir erwarten außerdem die bürokratiearme Ausgestaltung der Berichtspflichten für unsere Unternehmen.»
Der neue UFI Präsident Hugh Jones plädierte nun allerdings an seiner Antrittsrede am 91. Global UFI Congress im Confex in Köln, dass mehr Zusammenarbeit der Veranstalter gefragt ist. Er sagte: «Wir müssen mehr tun, und wir müssen das mehr gemeinsam tun.»
Das Beste zum Schluss: Gemäss der jüngesten R.I.F.E.L. Metastudie erwarten 70% der Eventexperten weltweit für das Jahr 2025 steigende Event-Budgets. Und auch hier ist der Tenor: KI und Nachhaltigkeit treiben die Entwicklung voran.
Happy New 2025! Auf ein erfolgreiches Neues Jahr!
TAKE OUTS
15. – 16. Januar 2025 BOE International/BrandEx Award, Messe Dortmund
R.I.F.E.L. Meta Studie: Events im Aufschwung: Wachsende Budgets, technologische Fortschritte und Nachhaltigkeit im Fokus.
Comments