Der unvergleichliche Christian Mikunda erklärt, was ein echtes Erlebnis für den Handel und für das Live-Marketing tut. Die präzise Analyse ist sein Business, auch in unserem Kurz-interview. Worte wie Literatur. English below.
by Christian Mikunda* | 24. Februar 2021
«Erlebnismarketing wird mit voller Kraft zurückkommen,
aber präziser, sinnhafter, ästhetisch anspruchsvoll.»
Guten Tag Christian Mikunda, was beschäftigt Dich zur Zeit am meisten?
Mich beschäftigt, dass die Politik - bei aller berechtigter Vorsicht - der emotionalen Dimension des Lebens und der Wirtschaft einen so geringen Stellenwert beimisst. Erlebnisse tun doch der Seele gut und sind nicht ein Beiwerk, auf das man auch gut und gern verzichten kann. Aber da Politiker nicht ins Kino gehen, nicht in den Zoo, nicht ins durchgestaltete Shopping Center, schließt man scheinbar Unnötiges und wundert sich dann, wenn nach Teilöffnungen die Menschen - ausgehungert nach Erlebnissen - lange Schlangen bilden und so mehr Schaden verursacht wird, als wenn dosiert und vorsichtig die emotionalen Orte besser zugänglich wären.
«Allerdings beginnen inzwischen einige weitsichtige Unternehmer
in die Zeit nach der Pandemie zu investieren.»
Wie hat Covid sich auf Dein Geschäft als Berater und Keynote Speaker ausgewirkt?
Der Markt für uns Keynote Speaker ist seit dem ersten Lockdown vor einem Jahr komplett zusammengebrochen. Als Speaker werden wir ja dafür bezahlt und geschätzt, dass wir einen vollen Vortragsaal mitreißen. Als Berater mußte ich zur Kenntnis nehmen, dass viele größere Projekte auf die lange Bank geschoben wurden. Allerdings beginnen inzwischen einige weitsichtige Unternehmer in die Zeit nach der Pandemie zu investieren. Ich arbeite daher derzeit am Redesign einer österreichische Shopping Mall, am Neubau der Firmenzentrale einer Werbeagentur in München und an einem touristischen Inszenierungskonzept für die Kärnten Werbung.
Welche Möglichkeiten und Chancen hat der Detail- und der Großhandel zu Zeiten des Lockdown, um sich zu inszenieren, ein Markenerlebnis zu schaffen?
Vielleicht anders formuliert - was kann man tun, um die Kaufsinnlichkeit zu entfachen, wenn die eine oder andere Öffnung stattfindet? Ich hätte dafür aus Sicht der Ladendramaturgie drei Empfehlungen: Man muß erstens zum Buddy des Konsumenten werden, zum besten Freund, ihn an die Hand nehmen, das Sortiment sinnlich erklären, so dass mit Sinn und Sinnlichkeit eingekauft wird. Man muß zweitens im Laden blitzartig Klarheit schaffen, in dem man durch hochpräzise räumliche Erschließung und eine perfekte Cognitive Map das Suchen und Finden auch in kurzer Zeit ermöglicht. Und man sollte drittens spüren, dass Läden heute nicht Orte blinden Konsums sind, sondern auch Ausdruck einer Kulturleistung. Ohne sie wären unsere Innenstädte wieder grau und lustlos wie in der Zeit vor Fußgängerzonen und Einkaufslust.
«Ich glaube an einen Effekt wie in den neunzehnzwanziger Jahren,
als nach dem Ersten Weltkrieg und der Spanischen Grippe eine
unglaubliche Lebenslust entfacht wurde.»
Was ist für Dich ein Online-Erlebnis?
Online ist Telepräsenz und globales Dorf, aber am Telefon - einem heißen Medien, wie Marshall McLuhan geschrieben hat - kann man immer noch empathischer flirten, als im kalten Medien Video, in das man angestrengt hineinstarrt. Was mich nervt ist die Ignoranz vieler User für Ästhetik. Ich komme ja von Film und Fernsehen und es schmerzt, dass Bildgestaltung, der Hintergrund, der immer mitspielt, und vieles mehr an visueller Kultur anscheinend keine Rolle spielen muß.
Gib es eine Zeit nach Covid, eine Rückkehr zu den «the good old days» oder nur noch eine Zeit mit Covid mit social distancing, Masken tragen? Wie wird sie aussehen, wie können Menschen lernen, mit ihr umzugehen?
Da gibt es zwei Denkschulen. Die einen glauben an eine neue Zeit des Guten im Menschen, an Delphine in Venedig und nachbarliche Musik auf den Balkonen. Das sind die gleichen Leute, die auch prophezeit haben, dass das Internet nie ein Massenmedium sein wird. Die anderen, Erlebnistheoretiker wie ich, glauben an einen Effekt wie in den neunzehnzwanziger Jahren, als nach dem Ersten Weltkrieg und der Spanischen Grippe eine unglaubliche Lebenslust entfacht wurde. Jedoch - Sinn und Sinnlichkeit sind ab jetzt untrennbar miteinander verbunden. Der Siegeszug dramaturgisch perfekter Netflix Serien statt flacher TV-Serien ist dafür ein Indiz. So wird das Erlebnismarketing mit voller Kraft zurückkommen, aber präziser, sinnhafter, ästhetisch anspruchsvoll.
*Christian Mikunda ist Erfinder der Strategischen Dramaturgie, Berater für Erlebnismarketing, Autor von «Hypnoästhetik - Die ultimative Verführung in Marketing, Handel und Architektur.» Weitere Bücher Marketing spüren - Willkommen am Dritten Ort. Warum wir uns Gefühle kaufen – Die sieben Hochgefühle und wie man sie weckt. Der verbotene Ort oder die inszenierte Verführung. Brand Lands, Hot Spots and Cool Spaces. Kino spüren (siehe www.Mikunda.com).
Interview: Urs Seiler
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«We are starved for experiences»
The incomparable Christian Mikunda explains what a real experience does for retail and for live marketing. Precise analysis is his business, also in this interview. Words like literature.
by Christian Mikunda* | 24. February 2021
«Experiential marketing will return with full force,
but more precise, more meaningful, aesthetically sophisticated.»
Hi Christian Mikunda, what’s your main concern at the moment?
I am concerned that politics - with all justified caution - attaches so little importance to the emotional dimension of life and the economy. After all, experiences are good for the soul and not an accessory that one can well do without. But since politicians don't go to the cinema, to the zoo or to the well-designed shopping centre, they close seemingly unnecessary places and are then surprised when people - starved for experiences - form long queues after partial openings and thus cause more damage than if emotional places were more accessible in a measured and careful way.
«However, some forward thinking entrepreneurs are now
starting to invest in the post-pandemic period.»
How has Covid impacted your business as a consultant and keynote speaker?
The market for keynote speakers has completely collapsed since the first lockdown a year ago. As speakers, we are paid and valued for our ability to engage a full auditorium. As a consultant, I had to deal with the fact that many larger projects were put on the back burner. However, some far-sighted entrepreneurs are now beginning to invest in the post-pandemic era. I am therefore currently working on the redesign of an Austrian shopping mall, on the new building of the headquarters of an advertising agency in Munich and on a tourism staging concept for Kärnten Werbung.
What possibilities and opportunities do retailers and wholesalers have in times of lockdown to stage themselves, to create a brand experience?
Perhaps formulated differently - what can be done to ignite the sense of purchase when one or the other opening takes place? From the point of view of shop dramaturgy, I have three recommendations: Firstly, you have to become the consumer's buddy, his best friend, take him by the hand, explain the assortment sensually, so that he buys with sense and sensuality. Secondly, you have to create clarity in a flash in the shop by making it possible to search and find in a short time through highly precise spatial development and a perfect cognitive map. And thirdly, one should feel that shops today are not places of blind consumption, but also an expression of a cultural achievement. Without them, our city centres would once again be grey and listless, as they were in the days before pedestrian zones and the desire to shop.
«I believe in an effect like in the nineteen-twenties,
when, after the First World War and the Spanish flu,
a unbelievable lust for life was ignited.»
What is an online experience for you?
Online is telepresence and global village, but on the phone - a hot media, as Marshall McLuhan wrote - you can still flirt more empathically than in the cold media video you stare into. What annoys me is the ignorance of many users for aesthetics. I come from film and television and it hurts that image design, the background, which always plays a part, and much more of visual culture apparently don't have to play a role.
Will there be a time after Covid, a return to the «good old days» or only a time with Covid with social distancing, wearing masks? What will it look like, how can people learn to deal with it?
There are two schools of thought. One believes in a new era of goodness in man, in dolphins in Venice and neighbourly music on balconies. These are the same people who also predicted that the internet would never be a mass medium. The others, experience theorists like me, believe in an effect like in the nineteen-twenties, when an incredible lust for life was ignited after the First World War and the Spanish flu. However - sense and sensuality are inseparable from now on. The triumph of dramaturgically perfect Netflix series instead of flat TV series is an indication of this. So experiential marketing will return with full force, but more precise, more sensual, aesthetically sophisticated.
Translated from German with www.DeepL.com
*Christian Mikunda is the creater of «Strategischen Dramaturgie», Author of «Brand Lands, Hot Spots and Cool Spaces» in English.
Interview: Urs Seiler
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